Wie eine weisse unüberwindliche Mauer steht das Gran Paradiso Massiv in der gleissenden Morgensonne im Talschluss des Val di Cogne, einem südlichen Seitental des Aostatals. Auf königlichen Steigen, die Vittorio Emmanuele II für die Jagd anlegen lies, wollen wir fast 1000 Höhenmeter zu einem seiner ehemaligen Jagdhäuser, dem heutigen Rifugio Vittorio Sella aufsteigen. Diesmal unter fachkundiger Anleitung von Davide dem Nationalparkguide. Und oben sind wir mit einem der sechzig Ranger des Parks verabredet. Es sollte also ein
aufschlussreicher Tag werden. Und die Kulinarik wird auch nicht zu kurz kommen, wie sich bereits mittags zeigen sollte!
In Valnontey, dem letzen Weiler mit Straßenanschluss im Val di Cogne, werden wir bereits das erste Mal auf die Probe gestellt. Sogar die Restaurants heissen hier wie man sich an so einem Ort an einem glasklaren Morgen fühlt: “Ristorante Paradisia” Und wir wären wohl noch vor Beginn der Tour eingekehrt, wäre es nicht acht Uhr morgens und das schöne steingedeckte Aostataler Haus noch im Morgenschlaf. Aber nebenan wartet schon die
nächste Sehenswürdigkeit die den Aufstieg “verzögert”. Der wunderschöne botanische Garten des ersten Nationalparks Italiens. Der Bergsommer explodiert hier geradezu! Was für eine Blütenpracht im Vordergrund des 4061 Meter hohen Massivs. Davide hat natürlich die passenden botanischen Fakten und Tipps auf Lager, seien es die Details zu endemischen Arten, die nur hier vorkommen, oder die Informationen zu hoch giftigen Gewächsen, die man kennen sollte, falls man mal (s)ein Leben beenden möchte. Nichts liegt uns ferner an so einem Tag! Also nehmen wir den königlichen Jagdsteig
unter die Sohlen. 300 Kilometer solcher Wege gibt es im 1922 gegründeten Nationalpark. König Vittorio Emmanuele II lies sie anlegen um seiner Jagdleidenschaft zu frönen. Dabei mochte er es offensichtlich bequem, was heute dem Wanderer zu Gute kommt. Gleichmäßig ansteigend und breit genug um zu zweit nebeneinander aufzusteigen schlängelt sich der Weg empor. Zu Pferd soll der König bis auf die höchsten Pässe geritten sein, ohne abzusteigen! Wir bewältigen den Aufstieg aus eigener Kraft und genießen den mit zunehmender Höhe immer imposanter werdenden Blick auf das Gran Paradiso Massiv und das Panorama (Klick auf das Foto!)
der umliegenden Dreitausender. Davide ist in seinem Element, spätestens als es uns gelingt einen der etwa 30 Steinadler die im Park leben vor das Fernglas zu bekommen. Wir erzählen was wir im “richtigen” Leben
so machen und welcher Profession wir nachgehen, als es aus Davide herausbricht: Mit weit ausgebreiteten Armen, als wolle er den Gran Paradiso umarmen, sagt er “ And this is MY office!” …und setzt damit einen Kontrapunkt zum städtischen (Büro-)Leben, der uns schon etwas nachdenklich stimmt. Die Nachdenklichkeit schwindet schnell als das Rifugio Vittoria Sella auf 2588 m in Sichtweite kommt. Von einem Parkranger erfahren wir dort spannende Fakten über den Park. So auch, dass Vittorio Emmanuele, aus dessen Jagdhütte das Rifugio hervor ging, es wohl gerne auch bei der Jagd bequem hatte. So lies er
sich die Steinböcke, von denen es heute etwa 6000 im Park gibt, von Helfern aus den Hochlagen hinabtreiben um sie im direkten Umfeld der Hütte niederzustrecken. Dass so eine Jagd dann auch kulinarische Highlights mit sich brachte, davon gehen wir mal aus. Und uns sollte es an diesem gastfreundlichen Ort nicht anders ergehen. Mit einem Flan vom Bergkäse als Vorspeise hätten wir in der Höhe allerding trotzdem nicht gerechnet! Und mit der Aostataler Brotsuppe als Zwischengang auch nicht. Zum Hauptgang kommt ein dampfender gelber Berg Polenta auf den Tisch. Aber nur als
Beilage zu nicht weniger als drei Secondi…. Die Salsiccia in Tomatensoße ist genial! Kann man hier eigentlich übernachten? Man kann. Den Tag nach diesem Festmahl um 14.00 Uhr ausklingen zu lassen erscheint uns dann aber doch etwas zu dekadent. Also zurück ins Tal, zumal uns dort am Abend auch noch einige Highlights erwarten sollten. Immer neue Perspektiven erschließen sich im Abstieg. Die gleissende Mittagssonne sorgt dafür, dass wir den Eindruck gewinnen die gesamten Gletscher der Gegend haben vor sich bis heute Abend in Form des reißenden Wildbachs an dem wir entlang schlendern in den
Talboden des Val di Cogne zu stürzen. Die Nachmittagssonne bringt die Hänge zum glühen und setzt dabei einen intensiven Duftcocktail frei, der von den Harzaromen des Waldes bis zum umwerfenden Duft des wilden Thymians reicht, auf den uns Davide im vorbeigehen aufmerksam macht. Der Wasserfall über Valnontey ist durch die in der Hitze enorm angestiegene Schmelzwassermenge gewaltig angeschwollen als wir den Talboden erreichen und uns sicher waren, dass die Highlights des Tages nun hinter uns liegen. Aber weit gefehlt! Das Degustationsmenue im Hotel Madonnina in Cogne sollte am Abend noch eins draufsetzen:
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Alleine das Schwertfischcarpaccio, ummantelt mit Lardo, einer Aostataler Spezialität (in Marmortrögen mit Kräutern, Gewürzen und Wein marinierter Speck), verdient es hier besonders erwähnt zu werden. Und die anderen Gänge bis hin zum Aostataler Bergkäse standen dem nicht nach. Zu Glück sind wir nicht, wie einst der König zu Pferd auf den Berg geritten, sondern haben den einen oder anderen Gang aus den Küchen des Tals am Berg “verbrannt”. Und wer, so gestärkt, noch ambtionbiertere Ziele hat und gar den Gran Paradiso besteigen möchte der wird im Bergzeit Magazin fündig!
Tags: Aostatal
Es war mal was anderes! Wo wir doch üblicherweise im Gehgelände der Südalpen unterwegs sind, sollte es dieses Mal, am Idro See, eine etwas andere Annäherung an den Berg werden! Vertikal und von oben!
Ganze 10 km ist er lang, der Idro See an der Grenze zwischen der Lombardei und dem Trentino. Eingebettet zwischen 2000 Meter hohen Gipfeln zieht er sich westlich, in 20 Kilometer Abstand, von Nord nach Süd parallel zum Gardasee. Und während letzterer
längst aller Orten bekannt ist, beschleicht einen bei der Ankunft am Idro See sofort das vielversprechende Gefühl, dass hier eine Naturschönheit im Dornröschenschlaf liegt. Dass Motorboote auf dem See verboten sind trägt sicher ein Übriges dazu bei, dass dieser Ort eine eindrucksvolle Ruhe ausstrahlt. Sanft geneigt ziehen sich die grünen Uferwiesen hoch in Richtung Straße, die noch nicht einmal um den gesamten See führt. Sie bieten einen optimalen Raum für einige sehr schön gelegene Campingplätze und natürlich für die Dörfchen, die sich rings um den See verteilen. In dieser Idylle beschlossen wir also in die Vertikale zu gehen!
Und auch das ist hier problemlos möglich. In Vesta, am Westufer, endet die Straße. Was folgt ist eine kurze Wanderung auf schmalen Uferpfaden gen Norden. Also Wanderstiefel anziehen und Kletterschuhe in den Rucksack, und
ab geht’s in Richtung einer als Via Ferrata ausgebauten Felswand mit grandiosem Blick über den See. Die Aussicht will erarbeitet sein. Auf Routen wie “Baby”
oder “Nani’s Wall” geht es nach oben. Für uns Wanderer zugegebenermaßen auf eher ungwohntem Wege gewinnen wir an Höhe. Der souverän zuversichtliche Blick von Guido “The Guide”, unserem Bergführer, vermittelt die nötige Sicherheit in der Vertikalen. Der geräumige Standplatz in Mitten der Wand ist eine Aussichtsloge erster Ordnung, auch wenn das Wetter den See in eher zarte grau und blau Töne packt, ist es doch ein grandioses Naturerlebnis in luftiger Höhe. Nur, wie kommt man als Wanderer da wieder runter? Na per Abseilaktion über die senkrechte Wand natürlich! Was soll ich sagen? Schon wieder eher unge
wohnt! Wir genießen die kleinen Adrenalinschübe und merken dabei kaum, dass wir dieses Paradies ganz für uns alleine haben. Im Norden sind Ferien und dennoch versammeln sich die Massen andernorts! Auch auf dem Rückweg um das südliche Ende des Idro Sees, den wir per Mountainbike bestreiten, ändert sich das nicht. Immer neue Landschaftseindrücke faszinieren auf dem Trail um den See. Wie eine Theaterkulisse schieben sich die vielfältig gestaffelten Bergketten von links und rechts ins Blickfeld. Wir fragen uns, ob es wohl noch spektakulärere Perspektiven gibt, aus denen man diesen schönen Flecken Erde erkunden kann. Und das geht hier tatsächlich auch!
Wenn auch aus einer für uns noch ungewohnteren Perspektive. Nämlich aus der Luft! Nein, nicht etwa aus dem Flugzeug, s
ondern viel näher am Element, vom Gleitschirm aus! Auch das geht für Newcomer nicht ohne fachkundige Anleitung. Der Gipfel des Monte Alpo, 1529 Meter hoch und damit 1200 Höhenmeter über dem Nordende des Sees gelegen, ist unser Ziel. Natürlich ist das auch ein herrliches Wanderziel. In Anbetracht der Gleitschirmausrüstung nehmen wir aber dann doch lieber die gebotene Infrastruktur über dem pittoresken Bergdörfchen Bondone in Anspruch und fahren steil hinauf, auf der Militärstraße aus dem 1. Weltkrieg und bis auf 150
0 Meter Höhe. Dann wieder Adrenalin! Auf einem Wiesenrücken breiten unsere Piloten die Schirme für den Tandemflug aus. Wir sind über der Inversionsschicht, die den See in milchiges Blau taucht. Darüber ist es glasklar. Dass es beim Flug durch die Luftschichtung zu Turbulenzen kommen kann erzählt mir der Pilot erst in der Luft…gut so! Andrea und seine beiden Co-Piloten geben das Kommando: “Ruuuuunnnn!!!!” Und schon
ist nur noch heiße Luft unter uns und ein phantastisches Panorama rings um uns herum. Wir überfliegen Bondone…eine Dächerlandschaft aus rotem Ziegel… kaum zu erkennen, dass es dort auch Gassen gibt. Der See breitet sich in seiner ganzen Länge unter uns aus und wird immer blauer, je näher wir ihm kommen. Wir fliegen vom Trentino in die Lombardei! Das Mündungsdelta der Flüsschen Chiese und Caffaro ist das Ziel, dem uns die Gravitation unau
fhaltsam näher bringt. Panoramaflug mit Achterbahneinlage als sich die Piloten den Spaß machen uns in einer Steilspirale dem Erdboden näher zu bringen. Die Platzrunde in niedriger Höhe über der riesigen Wiese direkt am Seeufer ist dagegen ein gemütlicher Ausklang. Die ist aber erforderlich um die Windrichtung am Landeplatz richtig einzuschätzen. Butterweich setzen wir auf, der Schirm fällt über uns zusammen und wir fragen uns “Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?” Gerade eben! Die Erde hat uns wieder! Um solch intensive Erlebnisse zu verarbeiten bedarf es dann schon ein
es kulinarischen Beruhigungsprogramms. Und auch in dieser Beziehung werden wir schnell fündig. Immerhin reisen wir in der Lombardei und die Einheimischen schwören, dass es am Idro See sowieso die beste Küche weit und breit gäbe. Im “Ristorante da Genny” werden wir fündig und glauben dieser Aussage auch ohne Schwur. Nicht nur die hausgemachte Pasta “Al burro e salvia” ist dort sagenhaft! Mehr über die Gegend erfahren Sie auch hier.
Tags: Idro See
Es war bereits im letzten Jahrtausend als wir zum ersten Mal in San Martino Inferiore im Mairatal ankamen. Schon damals war der Ruf dessen was Maria Schneider und ihr Mann Andrea aus einem verfallenen Weiler wiedererschaffen hatten legendär! Entsprechend hoch lag die Meßlatte der Erwartungen. So waren es gemischte Gefühle mit denen wir uns in der Locanda del Silenzio aufmachten um auf dem Mairaweg ein zweites Mal den dank der Initiative der Schneiders wieder auferstandenen Weiler San Martino zu erwandern. Und wir sollten nicht enttäuscht werden!
Doch zunächst schlägt uns das satte Grün der Flanken des unteren Mairatals in seinen Bann. Gemächlich schlängelt sich der Saumpfad auf der Nordseite des Tals entlang. Die schönen Tiefblicke in den Talboden wechseln sich ab mit eindrücklichen Erlebnissen an Wegesrand. Ob das nun schöne Kirchen sind, die luftig über dem Boden des Mairatals schweben, oder Weiler wie Caudano mit seinem Pestkrankenhaus aus dem 15. Jahrhundert. Man taucht ein in eine grandiose Kulturlandschaft die heute groß teils verlassen ist und deren Relikte uns trotzdem, oder gerade deswegen,
so wildromantisch erscheinen. Trotz aller Eindrücke zieht sich der Pfad hin und wir sind froh im Sportladen zu Hause nochmal das Schuhwerk aufgebessert zu haben. Das Kirchlein von San Martino Superiore, das 150m über dem Centro Culturale Borgata thront, ist von weitem sichtbar. Und doch hält die Topographie der Talflanken immer wieder neue Falten für uns bereit, die der Weg Meter für Meter “auskostet”. Und trotzdem… es ist ein Genuss sich San Martino auf diese Weise und über Stunden zu nähern, auch wenn wir schon befürchtet hatten unterwegs ein Biwak einrichten zu müssen. Als es endlich soweit ist und wir zwischen den Bruchsteinhäusern des ehemals verfallen Weilers
einlaufen, entfaltet sich sofort wieder dieses Gefühl, das uns immer wieder an solchen Kraftorten beschleicht. Man spürt es sofort an einem besonderen Ort zu sein….auch nach der Jahrtausendwende! Das Haupthaus mit seinen vorgebauten offenen Terrassen über drei Stockwerke verströmt immer noch diese momentane Ruhe und Entspannung die man sich andernorts erst mal über Stunden und Tage nach der Ankunft “erarbeiten” muss. Es sind die vielen kleinen liebevoll arrangierten Details die diesen
Ort besonders machen. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen…piemontesisches Feng Shui at it’s best! Sich nach einem eindrucksvollen Wandertag auf der kleinen Seitenterrasse niederzulassen und im Schutz Jahrhunderte alter Bruchsteinmauern über die weiten grünen Talflanken zu blicken, hat etwas besonderes. Man ist sozusagen binnen Minuten “angekommen”. Auch wenn Andrea, den wir noch kennenlernen durften, leider bereits verstorben ist und wir nicht mehr in der Küche im Gewölbekeller von Maria
bewirtet werden, sondern im neu eingerichteten Speisesaal im Nebenhaus, so ist doch der Besuch auch diesmal wieder ein außergewöhnliches Erlebnis! Und wie hatte es hier früher ausgesehen! In besagter Gewölbeküche saßen wir damals mit Maria zusammen und sie zeigte uns nicht ohne berechtigten Stolz die alten schwarzweiss Fotos des Weilers San Martino Inferiore, den sie mit Andrea erwarb, nachdem sie die Sprachschule, die sie im Tal
eröffnet hatten, aufgegeben hatten. Ausgewachsene Bäume standen innerhalb (!) der Mauern deren Ausstrahlung wir heute so genießen. Eine einzige Ruine war der Ort an dem nun eines der schönsten Posti Tappa des Mairatalwegs steht. Dass Maria und Andrea Schneider für den Wandertourismus im Mairatal und damit für die lokale Bevölkerung viel getan haben merkt man spätestens wenn man an
deren Ortes im Tal ihre Namen erwähnt. Was einem begegnet ist dann höchster Respekt der Einheimischen, vor der Leistung der beiden! Und die setzt sich auch in Küche und Keller fort, bis hin zum liebevoll angerichteten Frühstück! Mehr über die Geschichte der Schneiders finden Sie in einem Interview der beiden, oder im legendären Genußwanderfüherer “Antipasti und alte Wege”.
Erkunden Sie weitere Touren rund um das Mairatal ….hier!
Tags: Valle Maira