Es war bereits im letzten Jahrtausend als wir zum ersten Mal in San Martino Inferiore im Mairatal ankamen. Schon damals war der Ruf dessen was Maria Schneider und ihr Mann Andrea aus einem verfallenen Weiler wiedererschaffen hatten legendär! Entsprechend hoch lag die Meßlatte der Erwartungen. So waren es gemischte Gefühle mit denen wir uns in der Locanda del Silenzio aufmachten um auf dem Mairaweg ein zweites Mal den dank der Initiative der Schneiders wieder auferstandenen Weiler San Martino zu erwandern. Und wir sollten nicht enttäuscht werden!
Doch zunächst schlägt uns das satte Grün der Flanken des unteren Mairatals in seinen Bann. Gemächlich schlängelt sich der Saumpfad auf der Nordseite des Tals entlang. Die schönen Tiefblicke in den Talboden wechseln sich ab mit eindrücklichen Erlebnissen an Wegesrand. Ob das nun schöne Kirchen sind, die luftig über dem Boden des Mairatals schweben, oder Weiler wie Caudano mit seinem Pestkrankenhaus aus dem 15. Jahrhundert. Man taucht ein in eine grandiose Kulturlandschaft die heute groß teils verlassen ist und deren Relikte uns trotzdem, oder gerade deswegen,
so wildromantisch erscheinen. Trotz aller Eindrücke zieht sich der Pfad hin und wir sind froh im Sportladen zu Hause nochmal das Schuhwerk aufgebessert zu haben. Das Kirchlein von San Martino Superiore, das 150m über dem Centro Culturale Borgata thront, ist von weitem sichtbar. Und doch hält die Topographie der Talflanken immer wieder neue Falten für uns bereit, die der Weg Meter für Meter “auskostet”. Und trotzdem… es ist ein Genuss sich San Martino auf diese Weise und über Stunden zu nähern, auch wenn wir schon befürchtet hatten unterwegs ein Biwak einrichten zu müssen. Als es endlich soweit ist und wir zwischen den Bruchsteinhäusern des ehemals verfallen Weilers
einlaufen, entfaltet sich sofort wieder dieses Gefühl, das uns immer wieder an solchen Kraftorten beschleicht. Man spürt es sofort an einem besonderen Ort zu sein….auch nach der Jahrtausendwende! Das Haupthaus mit seinen vorgebauten offenen Terrassen über drei Stockwerke verströmt immer noch diese momentane Ruhe und Entspannung die man sich andernorts erst mal über Stunden und Tage nach der Ankunft “erarbeiten” muss. Es sind die vielen kleinen liebevoll arrangierten Details die diesen
Ort besonders machen. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen…piemontesisches Feng Shui at it’s best! Sich nach einem eindrucksvollen Wandertag auf der kleinen Seitenterrasse niederzulassen und im Schutz Jahrhunderte alter Bruchsteinmauern über die weiten grünen Talflanken zu blicken, hat etwas besonderes. Man ist sozusagen binnen Minuten “angekommen”. Auch wenn Andrea, den wir noch kennenlernen durften, leider bereits verstorben ist und wir nicht mehr in der Küche im Gewölbekeller von Maria
bewirtet werden, sondern im neu eingerichteten Speisesaal im Nebenhaus, so ist doch der Besuch auch diesmal wieder ein außergewöhnliches Erlebnis! Und wie hatte es hier früher ausgesehen! In besagter Gewölbeküche saßen wir damals mit Maria zusammen und sie zeigte uns nicht ohne berechtigten Stolz die alten schwarzweiss Fotos des Weilers San Martino Inferiore, den sie mit Andrea erwarb, nachdem sie die Sprachschule, die sie im Tal
eröffnet hatten, aufgegeben hatten. Ausgewachsene Bäume standen innerhalb (!) der Mauern deren Ausstrahlung wir heute so genießen. Eine einzige Ruine war der Ort an dem nun eines der schönsten Posti Tappa des Mairatalwegs steht. Dass Maria und Andrea Schneider für den Wandertourismus im Mairatal und damit für die lokale Bevölkerung viel getan haben merkt man spätestens wenn man an
deren Ortes im Tal ihre Namen erwähnt. Was einem begegnet ist dann höchster Respekt der Einheimischen, vor der Leistung der beiden! Und die setzt sich auch in Küche und Keller fort, bis hin zum liebevoll angerichteten Frühstück! Mehr über die Geschichte der Schneiders finden Sie in einem Interview der beiden, oder im legendären Genußwanderfüherer “Antipasti und alte Wege”.
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Tags: Valle Maira
Jeder kennt sie, zumindest vom Hörensagen. Nein! ….nicht die schöne Sennerin, die sich zum geflügelten Wort dieser Tour entwickeln sollte. Die großen Namen wie Mont Blanc, Les Diablerets, Dents du Midi oder die Eisgipfel der Combin. Und alle kommen sie vor auf einer herrlichen, etwa fünftägigen Runde um das Grand Muverans Massiv, das sich 3051m hoch über dem Rhonetal, im Wallis, aufbaut. Wenn auch “nur” in Form spektakulärer Ausblicke! Die faszinieren zwar, können uns aber trotzdem nicht ablenken von
einigen Highlights die die Tour auf mittleren Höhen jenseits der 2000er Grenze auch zu bieten hat. Inklusive Blick auf “Die schöne Sennerin”! Ob es nun die Jahrhunderte alten Weisstannen am Lac de Derborance sind, die in einer archaisch anmutenden Landschaft stehen, die den Wanderer augenblicklich virtuell nach Kanada versetzt, oder das Aufeinanderknallen der Steinbockgehörne die im Kampf um die Weibchen in unzugänglichen Schuttkaren hoch über uns als Waffen dienen. Karge aber eindrucksvolle Pässe, herrliche Hochtäler, die bereits erwähnten Sensationspanoramen und ein
e sehr gute Hütteninfrastruktur sind Zutaten, bei denen man sich eigentlich wundert, dass diese Tour nach Schätzung der örtlichen Hüttenwirte pro Saison wohl nur von etwa 500 Wanderern begangen wird. Vielleicht liegt’s ja daran, dass die Runde schon erobert sein will. Oder doch daran, dass alle auf der nahegelegenen Tour du Mont Blanc unterwegs sind? Knackige Höhenunterschiede, Strecken auf denen die Wasserversorgung im Sommer gut geplant sein will und etwas ausgesetzte Varianten, die auch nicht jedermanns Sache sind könnten ihren Teil dazu beitragen, dass man hier noch seine Ruhe hat.
Eines unserer Highlights auf der Tour des Muverans ist sicher die Alpage de la Vare die in einem herrlichen, langestreckten Hochtal liegt. Als wir zum Einstieg der Tour über Villars anreisen und dann den Weg über Anzeinde unter die Sohlen nehmen, ahnen wir noch nicht welche tollen Eindrücke unterschiedlichster Art uns an diesem Ort erwarten sollten. Knallgrün setzt sich der Wiesenboden des La Vare Hochtales von den 1000 Meter höher aufragenden stahlgrauen Gipfeln die
es umgeben ab. Wie ein grüner Leuchtstreifen geleiten uns die Wiesen ohne auch nur eine Möglichkeit
sich zu verlaufen zur gleichnamigen Alpe. Einfach die Gebäude, aber umso liebevoller im Detail dekoriert. Ob das die Blumenkästen sind, die die Fenster schmücken, oder die handbemalte Schieferplatte, die quasi als Aushängeschild dient. In den liebevollen Details wird klar, dass hier wohl eine (schöne?) Frau wirken muss. Als wir uns erschöpft vor der Hütte und neben der mongolischen Jurte(!), in der man auch übernachten kann niederlassen, erkennen wir sehr schnell, dass Nathalie und Pascal den Anspruch haben, trotz einfacher “Architektur” aus dieser Alm einen Kraftort zu machen. Und wie den beiden das gelungen ist!
Das Gipfelpanorama ringsum ist eindrucksvoll. Doch das kulinarische Panorama, das uns beim Abendessen erwarten sollte hatte es ebenfalls in sich. Das beginnt bereits mit dem außergewöhnlichen Speiseraum, in dem die beiden mit einfachsten Mitteln eine heimelige Atmosphäre geschaffen haben. Blanke Bretter liegen auf grobem Schotter der den
Fußboden des Raums bildet. Die runden Tische mit ihren fest angebauten Bänken ringsum sollten sich bald mit all dem was die Alpe und die umliegenden Berge bieten füllen und so der spröden Gemütlichkeit des Raums die Krone aufsetzen. Pascal ist Schäfer aus Leidenschaft und zieht mit seinen Herden bei Wind und Wetter durchs Wallis. Dass dabei ein Käse entsteht der seinesgleichen sucht, ist beinahe zu erwarten. Und dennoch bedarf es der
Kunst der “schönen Sennerin” um die Rohmilch dermaßen zu veredeln, dass man sein Lebtag keinen Käse aus dem Supermarkt mehr anrühren möchte! Und wie das geht sollten wir am nächsten Morgen, zusammen mit Nathalie, live erleben dürfen. Doch zuvor hieß es die herrlich in Kräuteröl eingelegten Käse und die vielfältigen Fleischspezialitäten der Alpage de la Vare zu verkosten. Dass da auch die Wurst und der Schinken von der Gämse nicht fehlen darf ist klar. Und schon bei der Betrachtung der liebevoll dekorierten
Teller ist da wieder dieses Gefühl, dass hier wohl eine “schöne” (?)Sennerin ihr Unwesen treibt. Wir sollten nicht lange auf die Folter gespannt werden um das Rätsel zu lösen. Nathalie (!) und Pascal gesellen sich zu uns an den Tisch vor dem wohligen Kachelofen und dann war alles klar! Und am nächsten Morgen erleben wir Nathalie in der kleinen Käserei bei der Herstellung des in Kräuteröl eingelegten Frischkäses……und möchten bleiben. Wegen des Käses natürlich! Aber wie war das mit Rundtouren? Nur wer weiter geht kommt zurück.
Dass der Sentiero Orobie, der das Hinterland von Bergamo in weitem Bogen durchzieht, auf der Alpennordseite so gut wie unbekannt ist, heißt noch lange nicht, dass der Wanderer hier auf gepflegte Wege und typisch mediterrane Genüsse verzichten muss. Ganz im Gegenteil! Auf unserer zweiten Etappe durften wir feststellen, dass man hier auf besten Pfaden durch einen Blumengarten wandern kann, der seinesgleichen sucht. Auch lernten wir, dass auf den ersten Blick eher “spröde” anmutende Hütten in dieser Gegend schon mal mit einer sensationellen
“Weinkarte” der besonderen Art aufwarten. Doch bis dahin liegen noch zwei Pässe, ein wunderschöner Talschluss, ein Goldregenwald, ein blaugrüner Stausee und Millionen alpiner Blumen vor, über und unter uns. Wenn das kein vielversprechendes Tagesprogramm ist!
Die Capanna 2000, von der wir starten, liegt auf der Südseite des Pizzo Arera (2512m) und damit genau auf der entgegengesetzten Seite wie der Passo Corna Piana, dem ersten Zwischenziel. Wir wählen die Route die den Berg westlich umgeht und vermeiden
damit ausgesetzte Passagen auf der Ostroute, von denen uns der Hüttenwirt berichtete. Denn wir wollen den Kopf und den Blick frei haben für das was da am Wegrand wächst. Und das ist einzigartig (klicken Sie auf das Bild!). Der Sentiero dei Fiori, der Blumenweg, trägt seinen Namen völlig zu Recht. Selten haben wir eine so große Artenvielfalt auf so engem Raum gesehen. Und die Zahl der Blüten ist schier überwältigend! Über Schuttfelder und Schneereste auf der Nordseite schlängeln
wir uns um den Pizzo Arera. Der Blick vom Passo Corna Piana in den grünen Talschluss des Val della Corte mit dem gleichnamigen Rifugio ist vielversprechend. Nach dem “steinigen” Vormittag tut das satte Grün im Tal richtig gut. Die kulinarische Mittagsrast vor dem Aufstieg zum 700 Meter über uns gelegenen Passo di Laghi Gemelli fällt geschätzten 10 italienischen Schulklassen zum Opfer, die das Rifugio Alpe Corte und die umliegenden Wiesen mit Beschlag belegen. Hier scheint eine Art Trainingslager für
die Kleinen zu sein, in dem sie bereits in früher Jugend das typisch italienische Bergausflugskonzept trainieren: Fahren bis die Straße endet und dann mit Picknickkörben in die umliegenden Wiesen ausschwärmen. “Una festa sui prati” eben….
Mit schönen Rückblicken auf die steilen Nordflanken des Pizzo Arera machen wir uns an den langen Aufstieg zum Passo di Laghi Gemelli. Über mehrere grüne Hangstufen schraubt sich der schöne Weg
nach oben. Die Blütenpracht will ebenfalls nicht enden…. Im letzten Teil führt uns
der Pfad über flache Felsstufen über die man Stunden dahinwandern könnte, stetig nach oben…. Auf 2139m, auf dem breiten Sattel des Passo, ist für heute der höchste Punkt erreicht. Der schöne Blick auf den unter uns liegenden grün blau schimmernden (Stau-)See und das an der Staumauer liegende Rifugio Laghi Gemelli spornen den Wanderer zum Endspurt an. Immer am See entlang schlängelt sich der schmale Pfad dem Rifugio entgegen. Etwas spröde wirkt sie schon, die auf einem kleinen Hügel oberhalb der Staumauer gelegene ehemalige Unterkunft ihrer Erbauer. Aber wir sind in der Lombardei und können uns einfach nicht vorstellen, dass nicht spätestens dann, wenn die Antipasti auf den Tisch kommen, alles gut sein wird. Und wir sollten Recht behalten, auch wenn das nicht zwingend den Grundsätzen gesunder Sporternährung entsprach!
Das warme Licht das in der Dämmerung zwischen den roten Fensterläden nach draußen dringt lockt uns schließlich an einen der blanken Tische im schlichten Gastraum. Und noch bevor die Antipasti aufgetischt werden, wird das kulinarische Potential dieses Abends deutlich…. nämlich beim Blick in den verglasten Wandschrank, der als “Weinkarte” dient.
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Und da lacht uns doch beim “Kartenstudium” tatsächlich Papa Celso an! Ihn haben wir aus dem Val Vogna noch in bester Erinnerung! So ein Glücksfall! Was folgt, erfreut uns nicht minder. Dampfende Pasta, aufgetragen in riesigen Schüsseln, Secondo, Dolce…wunderbar! Und als wir die zweite Flasche Papa Celso bestellen zwinkert der Wirt nur verständnisvoll mit den Augen….