Auf dem großen Walserweg…. ohne Plan, aber dafür mit Traumpanorama: Rifugio Alpenzu und der beste Blick auf den Monte Rosa!
Walserland! Geschichtsträchtig ist sie, die Gegend im Norden des Aostatals, rings um Gressoney St. Jean. Aber wir sind nicht nur auf der Suche nach Geschichte, sondern auch nach Bergpanoramen erster Klasse und kulinarischen Erlebnissen die nach der Tour dafür sorgen, dass die “Schmerzen” des Tages schnell gelindert werden und dass sich die einzigartigen Eindrücke die hier an jeder Ecke lauern im Genusszentrum des Gehirns “einbrennen”.
Wie sich zeigt, sind wir mal wieder richtig… einige Kilometer nördlich von Gressoney St. Jean. Direkt neben der Talstraße beginnt der leichte, gut einstündige Aufstieg nach Alpenzu, einem wundershönen Walserdörfchen (Die Walser, wer sind die eigentlich? ) auf ganzen 1779 Metern. Bereits um das Jahr 1200 finden die 13 Walserhäuser ihre erste urkundliche Erwähnung. Und noch heute trohnen sie, jüngst liebevoll renoviert, auf einer herrlichen Wiesenterrasse über einem Talschluß der seines gleichen sucht. Der Blick reicht talabwärts bis über Gressoney St. Jean gen Süden und, noch spektakulärer, in Richtung Norden bis zum Talkessel hinter Gressoney La Trinite. Letzterer hat es in sich! Über Viereinhalbtausend Meter ist er hoch, der in der Sonne gleissend weiss strahlende Riegel des Monte Rosa Massivs, der mit Lyskamm und Vincent Pyramide die Grenze zwischen der Schweiz und Italien bildet und das Tal abrupt nach Norden hin abschottet. Welch ein phantastisches Naturschauspiel ist es doch hier die Wolkenformationen die die Gletscher und Grate umspielen zu beobachten und gleichzeitig das heimelige Rifugio Alpenzu in Wurfweite zu wissen. Mitten in einer saftig grünen Almlandschaft ist es gelegen. Die ist geprägt durch die von der Sonne über Jahrhunderte geschwärzten Walserstadel. Und immer hat man das Gefühl, dass man nicht enttäuscht wird, wenn man sich auf ein Glas Wein oder ein mehrgängiges Menue hier niederläßt. Und tut man das auf der Terrasse des Rifugio Alpenzu reisst noch nicht einmal der Blickkontakt zu den großen Gipfeln des Alpenhauptkamms ab!
Ok, ohne Stärkung am Mittag kommen wir mal wieder nicht an der Hütte vorbei. Wir sollten es nicht bereuen! Aber das Highlight des Tages ist unsere Verabredung mit Carlo, unserem Bergführer, der uns heute weniger über alpine Herausforderungen hinweghelfen wird, sondern vielmehr in die Kultur und Geschichte des Tals und der Almregionen die von den Walsern erschlossen wurden, einweisen wird. Weit gereist ist er. Heliskiing in Kamtschatka… mit Kunden. Und als er vom längsten Inlandsflug der Welt erzählt, den er bei der Anreise über Russland hinter sich gebracht hat, wird im Tonfall und zwischen den Zeilen schnell klar wo sein Herz zu Hause ist! Weit entfernt von Alpenzu jedenfalls nicht! Carlo begrüßt uns in fließendem Englisch… “This is the plan for today:…… and we will change it ten times, we are in Italy!” Damit ist klar, dass der Nachmittag flexibel gestaltet werden wird, mit einem atemberaubenden Monte Rosa Blick als einzigem verlässlichen Fixpunkt auf unserer kleinen Rundtour auf dem großen Walserweg. Und als Carlo zum besten gibt was er von Plänen hält: “ I am always happy, when I have NO plan!” wird endgültig klar, dass wir uns ohne Widerspruch in seine erfahrenen Hände begeben sollten und einfach das was den Nachmittag über auf uns zukommt, genießen sollten…ganz ohne Plan! Und was uns erwartete war eine kleine aber feine dreistündige Tour von Alpenzu hinauf zu einigen verlassenen Almen und dann einen Saumpfad entlang der, immer den Monte Rosa im Blickfeld, schließlich im wilden “Freestyleabstieg”, weglos über steile Wiesen, wie durch ein Wunder (Carlo!) auf dem allseits bekannten großen Walserweg mündete. Ab da hatten wir quasi “gefühlt” wieder die Zivilisation erreicht. Wenn auch eine über achthundert Jahre alte! Ohne große Höhenunterschiede schlängeln wir uns den Hang entlang, von Walseralm zu Walseralm, zurück in Richtung Alpenzu, nicht ohne dass Carlo uns mit einigen lokalen Kuriosa beglückt. Oder waren Sie schon mal auf einer Alm auf der ein Schweizer Professor mit seinen 17 Katzen gehaust hat? Im warmen Abendlicht erreichen wir das Rifugio Alpenzu in freudiger Erwartung der Fortsetzung der kulinarischen Highlights die wir schon Mittags testen durften. Und wir sollten nicht enttäuscht werden. Ehrliche aostataler Kochkunst mit allem was Küche und Keller hergeben. Auch Carlo geniesst das Abendessen sichtlich. Bei aller Freude über den genialen Tag werden wir dann aber doch noch nachdenklich als wir den Vorsitzenden der Walsergemeinschaft von Gressoney kennenlernen, der sich zu uns an den Tisch gesellt. Die architektonischen Relikte der Walserkultur durften wir ja schon staunend zur Kenntnis nehmen. Und auch über die Sprache hatten wir schon einiges gehört, sei es im Tessin oder hier, südlich des Monte Rosa. Aber wie bedroht diese Kultur ist war uns nicht klar. Erst die etwas bedrückten Erzählungen des “Walserchefs”, der selbst noch kleine Kinder hat, machen klar, dass die Kultur und die Sprache wohl über die nächsten zwei bis drei Generationen aussterben wird, so die Einschätzung aus berufenem und betroffenem Munde. Allerdings sei auch erwähnt, dass wir am nächsten Tag mit Begeisterung die Walserprozession in Gressoney St. Jean miterleben durften. Dabei wurde überdeutlich, dass die “Alten” zumindest alles unternehmen um die “Jungen” bei der Stange zu halten”!