Der Weg über den Colle Egua nach Carcoforo…. Monte Rosa Blick und das skurile Relikt eines Autozars.
Der Abschied im Stella Alpina in Roj fällt schwer, bei der guten Unterbringung und der herzlichen “Betreuung”! Aber wir wissen um die großartigen Ausblicke des heutigen Weges und auch um die kulinarischen Qualitäten die uns am Zielort Carcoforo, einer der kleinsten Gemeinden Italiens wieder erwarten. Das motiviert die 1100 Höhenmeter bis zum Colle Egua unter die Sohlen zu nehmen! Wir haben Glück: Die “Betreuung” schließt heute den 10 minütigen Autotransfer bis zum Ende der Straße im Weiler Campo ein. Zu Fuß wären das fünf eher unangenehme Asphaltkilometer gewesen…
Das Val Baranca empfängt uns mit sattem Grün und dem erfrischenden Gegurgel des Mastallone Baches. Da steigt die Vorfreude auf den Aufstieg. Der führt über beeindruckende Weganlagen! Eine Mulattiera schöner als die andere…. Diese Bergwege ermöglichen durch Ihre immer gleiche Steigung und exzellente Pflasterung mit Steinplatten ein fast ermüdungsfreies Steigen. Durch Ihre Breite, die es oft ermöglicht zu zweit nebeneinander zu gehen, wird der Aufstieg darüber hinaus außergewöhnlich kommunikativ. Eine richtige Wanderautobahn, angelegt über Jahrhunderte und heute ein eindrucksvolles Relikt der Baukunst, aber auch der Mühen früherer Generationen.
Wir genießen diesen Luxus und gewinnen schnell an Höhe. Bei der Alpe Baranca, die eine sehr gute Übernachtungsalternative darstellt und wo nach Aussage von Freunden die Bewirtung ebenfalls erstklassig ist, finden sich einige besonders eindrucksvoll ausgebaute Wegabschnitte. Wir widerstehen der Versuchung hier einzukehren und gehen stattdessen die Steilstufe an, über die das Wasser des Lago Baranca zu Tal stürzt.
Doch hier ist nicht die schöne Mulde in der der kleine See liegt die Attraktion, sondern ein Relikt früherer Zeiten das sich weiter oben am Weg zum Colle Egua befindet. Nach Duchquerung des Talkessels erreichen wir die noch bestoßene Alpe Selle (1824m). Mehrere einfache Granit Hütten zeugen vom harten Leben hier oben und die Gesichter der beiden Älpler strahlen eine große innere Ruhe aus. Die gegerbten Blick erzählen aber auch von vielen arbeitsintensiven Almsommern. Nur einen Steinwurf von der einfachen Alm entfernt findet sich dann ein Überbleibsel des Luxus vergangener Tage. Vincenzo Lancia, der große Autobauer und Rennfahrer, der am 24. August 1881 hier im Tal geboren wurde hinterließ am Weg zum Paß die Ruine seiner Sommervilla. Größer könnten die Gegensätze nicht sein… Allerdings konnten ihn auch die gute Bergluft und die Aufenthalte in diesem skurilen Rifugium nicht davor bewahren bereits früh, im Alter von 57 Jahren, an einem Herzinfarkt zu sterben. Zu Lebzeiten hat Lancia aber bei allen Erfolgen sein Heimatdorf Fobello nie vergessen und sich als großzügiger Gönner gezeigt. Zum Beispiel beim Wiederaufbau der vom Hochwasser zerstörten Kirche des Dorfes.
Wir haben andere Sorgen. Wir wollen in die Monte Rosa Ostwand schauen! Beim Aufstieg steigt die Spannung da uns klar ist, dass sich die imposante mit Hängegletschern durchsetzte Wand auch bei schönem Wetter am Colle Egua oft in Wolken hüllt. Und so sollte es uns heute gehen. Umso eindrucksvoller allerdings das
Schauspiel, wenn der Wind die Vorhänge dieses großartigen Naturtheaters immer wieder kurz auf und zu macht. So fokussiert sich unser Blick am Paß talwärts auf den schönen Abstieg über Almwiesen nach Carcoforo und auf den gegenüberliegen Aufstieg zum Colle del Termo der für den nächsten Tag geplant ist. Das Höhenprofil des Weges ist simpel und so ist uns klar, dass wir nun die gut tausend Höhenmeter die wir hinaufgestiegen sind auch wieder runter müssen. Über schöne Wiesen führt der Pfad schnell talwärts und damit steigt die Vorfreude auf den kulinarischen Teil des heutigen Konzeptes. Nach gut sechs Stunden reiner Marschzeit verspricht die in Sicht kommende Granitlandschaft der Dächer von Carcoforo, der wir uns aus der Heliperspektive nähern, Linderung! Noch geht es aber bergab, bis wir schließlich durch die wunderschönen Gassen schlendern und dabei die von den Walsern geprägte Granitarchitektur bewundern, die für so viele Dörfer auf der Monte Rosa Südseite typisch ist. Und ein weiterer Höhepunkt sollte an diesem Tag noch folgen. Wir werden beim Eichhörnchen zu Gast sein!