Wo Päpste wandern gehen und nicht nur die Berge zu Höchstform auflaufen!
Kein Wunder, dass der eine oder andere Pontifex die kleinste Provinz Italiens, das Aostatal, über das wir an dieser Stelle ja bereits mit Begeisterung berichtet haben, regelmäßig für einen Wanderurlaub aufsuchte. Vermutlich ist es diese “göttliche” Kombination aus alpinen und kulinarischen Superlativen die einem als Gast immer mal wieder das Gefühl geben, dem Himmel ganz nah zu sein.
Was liegt da näher als eine weitere Erkundung der Region rund um den höchsten Berg der Alpen zu starten, der hier eigentlich richtiger Weise Monte Bianco heißt. Was mit seinen 4807 Metern wie Musik in den Ohren eines jeden ernsthaften Alpinisten klingt, entfaltet in den Ohren des Wanderers zumindest den Wunsch nach alpinen Traumpanoramen und nach der Erforschung weniger bekannter und daher einsamerer Wege als der zugegebenermaßen eindrucksvollen Tour de Mont Blanc.Dass das Aostatal darüber hinaus, wie sollte es auch anders sein im Dreiländereck Frankreich, Italien, Schweiz, kulinarisch ein gelobter Landstrich ist, blieb natürlich bei unserer Tourenplanung nicht unberücksichtigt. Und dem Papst sind wir dann tatsächlich auch begegnet!
Auf dem Promenadenweg zum Rutor Gletscher
Wir steuern zunächst die “Balconata de La Thuile” an. Ein Höhenweg so ganz nach unserem Geschmack. Hoch über dem Rutor Wildbach geht es über dem gleichnamigen, an der Passstraße zum kleinen St. Bernhard gelegenen Dorf dahin, hinein in ein südwestlich gelegenes, wenig frequentiertes Seitental des Aostatals. Der Name dieses Traumpfades ist Programm. Wie auf einem Balkon geht es mit 4000er Panorama dahin. Beim Blick zurück bleiben wir immer wieder, vom Ausblick auf den Monte Bianco fasziniert, stehen und studieren die gewaltigen Gletscher die sich von diesem alpinen Gigant ins Tal wälzen. Abwechslungsreich geht es über schmale Pfade und Blockfelder dahin. Wir bewegen uns in geschichtsträchtigem Gelände. Davon zeugen die Reste der militärischen Befestigungen die uns beim Blick auf die umliegenden Grate immer wieder daran erinnern, das diese Grenzregion auch schon schlimme Zeiten erlebt hat.An der kurzen Schlüsselstelle, hoch über dem tief grün und blau funkelnden Seeauge des Lac de Glacier, erfordern die Ketten, die unseren “Abflug” hinunter auf den in allen Grüntönen schimmernden Wiesenboden des Pian de la Liere verhindern sollen, unsere volle Aufmerksamkeit. Heiße Luft unter den Sohlen und ein Traumpanorama vor Augen! Was dann folgte, sollte unseren Adrenalinspiegel allerdings noch weiter in die Höhe treiben! Hinter einer Felskante taucht er plötzlich auf, in strahlendem Weiß, der unterhalb der 3486m hohen Testa del Rutor gelegene Rutor Gletscher. Mit seinen 9,5 Quadratkilometern speist er die dreistufigen Rutor Wasserfälle und eine Vielzahl wunderschöner kleiner Seen an seinem Fuß. Dass er in der Vergangenheit schon ganz andere Ausmaße hatte, wird beim Blick in die Geschichtsbücher klar. Im 15. und 16. Jahrhundert kam es mehrfach zu Aufstauungen durch einen Damm auch Eis und Geröll dessen Durchbruch immer wieder schwere Verwüstungen im Tal anrichtete. Von diesen Naturdramen und der Furcht der Menschen davor zeugt noch heute die Capella di Margherita die in der Nähe des Rifugio Alberto Deffeyes, unserem heutigen Tagesziel, auf knapp 2500m errichtet wurde um die Naturgewalten zu besänftigen. Ob die Kapelle die gewünschte Wirkung entfaltet hat, wissen wir nicht. Dass der Klimawandel den Gletscher “entschärft” hat ist allerdings, wie vielerorts in den Alpen, deutlich sichtbar.
Gletschertraum mit Mont Blanc Blick!
Der Morgen vor dem Refugio Deffeyes ist frostig. Rauhreif überzieht die Tische aus grobem Holz, die vor der Hütte dazu einladen das 180 Grad Panorama des Rutor Gletschers im warmen Licht der Morgensonne zu bewundern. Dieser Ausblick zieht uns unweigerlich bergwärts, in eine herrliche Seenlandschaft die die Zungen des Rutorgletschers über Jahrtausende hinweg geformt haben. Immer wieder entdecken wir neue Landschaftsbilder, die sich in der spiegelglatten Oberfläche der Seen vervielfachen. Was für ein Auftakt unseres Abstiegstages dessen weiterer Verlauf nicht minder eindrucksvoll werden sollte! War doch die Rückkehr ins Tal entlang der dreistufigen Rutor Wasserfälle geplant. Unser Weg führt hinab auf den Pian de la Liere, eine Almfläche die man nur als Idyll bezeichnen kann. Fast kitschig, dieses Bild von hunderten Schafen, die am Ufer des tief grünen Seeauges ihr Frühstück einnehmen. Gefühlt nähern wir uns diesem Kraftort aus der Vertikalen. Es stellt sich im Abstieg fast das Gefühl ein man sei mit dem Helikopter auf dem Weg ins Tal. Die Kniegelenke erinnern uns dann aber sehr schnell daran, das das nur eine Sinnestäuschung sein konnte!
Gletscherabsturz über drei Kaskaden!
Man kann es kaum anders bezeichnen, was das Schmelzwasser des Rutor Gletschers da anstellt. Mit Urgewalten schießen die Wassermassen über mehrere Felsstufen zu Tal und lassen uns mal wieder spüren welch mickrige Gestalten wir Menschen doch sind, wenn wir uns in grandioser Natur bewegen. Und die kommt an den Wasserfällen nicht nur in flüssiger Form daher, sondern auch als Fels und Eis. Und zwar beim Blick in die Runde der 4000er Kette links und rechts des Mont Blanc. Endlich zeigt sich mit der Grand Jorasses ein weiterer Bergriese (4208m) an dem Alpingeschichte geschrieben wurde! Diese beeindruckende Szenerie begleitet uns beim Abstieg durch den lichten Nadelwald bis ins Tal. Der zieht sich allerdings durch das viele Schauen und Staunen doch etwas in die Länge… und warum kommt uns dabei nur immer wieder Yosemite in den Sinn?
Kulinarische Genüsse mit 4000er Blick!
Unten angekommen, wollen wir natürlich auch die kulinarische Vielfalt des Aostatals und seiner Seitentäler nicht verpassen. Als echter “Genußtempel” erweist sich das Ristorante Pepita in Entrèves. Was Patron und Chefkoch Mauro in dem von außen unscheinbaren Restaurant auf den Tisch bringt ist einfach nur sensationell. Schon die Antipasti mit duftendem Prosciutto aller Arten sind ein echtes Geschmackserlebnis. Vom herrlichen Lardo, einem in Steintrögen mit Kräutern marinierten Speck, ganz zu schweigen. Auch wenn die schneeweißes Scheiben nicht jedermanns Sache sind, so ist es doch für den Liebhaber eine Geschmacksexplosion das weiße Gold auf der Zunge schmelzen zu lassen. Glücklicherweise sind wir in Italien, wo die Primi Piatti nicht lange auf sich warten lassen. Wer möchte da schon “Nein” sagen, wenn Mauro mit auf einer Pesto angerichteten und mit köstlichem Auberginenmousse gefüllten Tomaten lockt. Richtig, niemand!
So kommt zum Berggenuss schließlich auch noch der Hochgenuss eines mit Spumante und Steinpilzcreme aromatisierten Risottos, für das kein Weg zu weit ist. Und wir dachten, wir haben an diesem gastlichen Ort schon alles erlebt. Von wegen! Die hausgemachten Tagliolini mit Trüffel katapultieren uns endgültig in kulinarische Höhen, die , gemessen an Bergen, sicher die 4000er Marke deutlich übersteigen. Wir entscheiden uns trotz dieses kulinarischen Feuerwerks gegen den Hauptgang und gehen gleich zum Dessert über… und das hat es auch in sich.
In La Thuile erwartet uns Stefano Collomb, einer der besten Chocolatiers Italiens. Stefano hat es mit dem Familienbetrieb, den er in zweiter Generation führt, in den Olymp der Kulinarik geschafft. Immerhin wurde seine kleine Schokoladenmanufaktur kürzlich zu einem der 100 besten Genussorte Italiens gekürt! Wenn man ihn dann in seiner bescheidenen Art live erlebt, wenn er von seinen Lehrjahren in Belgien und Frankreich erzählt und seine Kreationen mit Rosenblättern, Lavendel, oder Wacholder erläutert und die Quellen seiner Genüsse, wie zum Beispiel die besten Haselnüsse aus dem Piemont, oder die aromatischsten Pistazien aus Sizilien preisgibt, erkennt man sofort, dass hier nicht der Kommerz im Vordergrund steht, sondern pure Leidenschaft. Nicht nur in Bezug auf die Verkostung dessen was Stefano für uns vorbereitet hatte, sondern auch menschlich ein besonderer Moment! Als Stefano dann seine Haselnusscreme hervorholt, wird endgültig klar, dass das absolut nichts, aber auch gar nichts mit dem global vermarkteten Industrieprodukt der Erfinder der “Piemontkirsche” zu tun hat!
Wen wundert es da, dass wir im Himmel der Genüsse auf den Papst treffen!? In Form einer reich verzierten Dankesurkunde hängt sein Konterfei an der Wand in Stefanos bescheidenem Laden. Ob ihn wohl eine himmlische Eingebung hierher geführt hat?
Mont Blanc by unfair means!
Achja, da war ja noch etwas. Wir wollten ja die höchsten Berge der Alpen bezwingen. Wenn schon nicht zu Fuß, dann zumindest mit Hilfe eines beindruckenden Stücks Technik, das wir sonst eher zu vermeiden suchen.
Courmayeur im Talschluss des Aostatals, kurz vor dem Schlund des Mont Blanc Tunnels gelegen, ist der perfekte Ort um die 4000er mit der Seilbahn zu erkunden. Das charmante Alpenstädtchen liegt eindrucksvoll, umgeben von den mit ewigem Eis überzogenen Gipfeln, in der Abendsonne als wir durch die Fußgängerzone schlendern. Immer wieder müssen wir den Kopf in den Nacken legen um das sensationelle Panorama zu bestaunen, auch wenn uns das Kaiserwetter an dieser Stelle leider verwehrt bleibt.Am eindrucksvollen Hauptquartier der “Societa delle Guide”, der Bergführervereinigung, das auch ein sehenswertes Alpinmuseum beherbergt, halten wir kurz an den Gedenktafeln für die verunglückten Guides inne. Da wird einem sehr schnell schmerzlich bewusst, dass sich an der Wiege des Alpinismus, rund um den Mont Blanc, eben nicht nur alpine Erfolge sondern auch Dramen abspielten und abspielen. Die Vereinigung der Bergführer von Courmayeur, nach Chamonix die zweitälteste der Welt, hat hier, wie die Gedenktafeln belegen, auch so manches Opfer beigesteuert.
Ist denn schon wieder Himmelfahrt?
Man könnte es fast glauben! Etwas “angegruselt” von den Opfern der Berge machen wir uns auf den Weg zur “Skyway Monte Bianco”, einer beeindruckenden Seilbahn mit rotierenden Glaskugelgondeln.
Vier Sommer und 120 Millionen Euro später und schon ist die alte Aufstiegshilfe durch die neue mit High Tech Antrieb, beheizten Gondelfenstern, live Kamera am Unterboden der Kabinen und der mit 110 Metern höchsten Seilbahnstütze weltweit, ersetzt! 2200 Höhenmeter in Rekordzeit… der Kreislauf bedankt sich! Und dann das: Die architektonisch im besten Wortsinne durchgestylte Bergstation an der Punta Helbronner, auf 3466m, mit ihrer 360 Grad Aussichtsplattform, liegt in den Wolken! Offensichtlich hat der päpstliche Segen dann doch nicht ganz gereicht…
Trotzdem genießen wir den Aufenthalt in dieser einzigartigen Umgebung und den kurzen dramatischen Blick auf die bizarren Bergspitzen und Gletscher, die uns der Wettergott dann doch noch gewährte. Aber was wäre solch ein Ort ohne eine Genußkomponente?! Das hat auch die Cave Mont Blanc erkannt. Das Weingut produziert hier jährlich 1200 Flaschen Spumante. Nach der Champagner Methode ausgebaut und in der Mittelstation der Skyway auf knapp 2200 Metern 24 Monate gereift, ist das ein ganz besonderer Genuss, der in der dünnen Höhenluft neben geschmacklichen Höhenflügen auch sonst seine Wirkung nicht verfehlt! Wie mag das erst gewesen sein, als zu Beginn der Kooperation der Weinkellerei mit den Bergführern von Courmayeur 2009 die erste Flasche des “Cuvee des Guides” auf dem Gipfel des Mont Blanc mit dem Eispickel geköpft wurde? Wir müssen es wohl nicht erwähnen… als wir leicht beschwingt (von der dünnen Luft!) wieder gen Courmayeur hinab schweben, planen wir bereits unsere Rückkehr… und dann mit diesem Ausblick, den die Panoramawebcam an “guten” Tagen verspricht: