Von Soglio nach Chiavenna…. mit Mittagsrast im Schulhaus von Savogno und anderen kulinarischen Versuchungen.
Nach dem Intermezzo im Palazzo Salis in Soglio kann es eigentlich kaum noch besser kommen, aber anders! In Richtung Südwest erreichen wir bald die berühmten Kastanienwälder, die größten der Alpen, die uns noch von der italienischen Grenze in Castasegna trennen. Zwischen den alten Cascinen, den Hütten in denen die Kastanien durch Hitze und Rauch haltbar gemacht wurden und dann zu Kastanienmehl verarbeitet wurden, schlendern wir hinab und reflektieren über das harte Leben der Bergbauern, für die die Kastanie und ihr Mehl in früherer Zeit überlebenswichtige Güter waren, die ganze Familien vor dem Hungertod bewahrten.
Da geht es uns heute besser. In freudiger Erwartung dessen, was da kulinarisch auf uns zukommt, müssen wir zunächst in den Talboden absteigen, um die Grenze in Castasegna auf der Straße zu überqueren. Da wirken wir dann doch etwas deplaziert und sind froh als ein alter Wegweiser an einem Heustadel unauffällig den Weg hinauf nach Savogno weist. Zuvor besteht allerdings die Gefahr schon das erste Mal aus kulinarischen Gründen “hängenzubleiben”, nämlich in der “Laterna Verde” in San Barnaba. Der eine Michelinstern entgeht uns allerdings, da wir am Ruhetag des Patron wandern. Die Mittagsrast im seit den 90er Jahren fast (!) verlassenen Weiler Savogno steht dem, wie wir herausfinden sollten, kaum nach. Sie will aber zunächst verdient sein.
Im lichten Wald führt der Weg 1.5h meist schattig bergan. An einigen Stellen kommen wir trotzdem ganz ordentlich ins Schwitzen! Immer öfter tut sich Richtung Südwest der schöne Ausblick Richtung Chiavenna auf. Teils blicken wir über senkrechte Felsen hinab ins Tal der Mera. Am frühen Nachmittag ist der vorläufige “Höhepunkt” des heutigen Tages erreicht: Savogno und sein gleichnamiges Rifugio im ehemaligen Schulhaus.
Die etwa 30 Häuser samt Kirche, die auf 940 m wie ein Adlernest am Hang kleben, machen einen pittoresken, wenn auch etwas morbiden Eindruck. Viele seit Jahren verlassen, sprechen sie die deutliche Sprache der Abwanderung in den 70er und 80er Jahren, die die Wohnbevölkerung von über 300 Menschen auf wenige Alte und eben Rossella Gusmeroli und Fabrizio De Pedrini reduziert hat. Die beiden haben Ende der 90er die Chance genutzt und das verwaiste Schulhaus von Savogno in ein heimeliges Rifugio samt angeschlossenem “Ristorante” verwandelt. Ein, wie wir finden, hervorragendes Nutzungskonzept für dieses, 1961 in der Hoffnung auf Nachwuchs und damit “Überleben”, erbaute Haus.
Nachdem wir nachdenklich durch die verlassenen Gassen und über den Friedhof mit dem herrlichen Blick ins Tal und nach Chiavenna geschlendert sind, die wenigen erhaltenen Fresken an den Giebeln und die von der Sonne geschwärzten Holzbalkone studiert haben, lassen wir uns auf der Sonnenterrasse des Rifugio Savogno nieder und genießen die fürstliche Bewirtung. “Eigentlich” wollten wir ja nur etwas trinken, aber der Speisekarte mit den frischen Produkten des Tals und der umliegenden Almen können wir nicht widerstehen. Und das hätte beinahe zu einer unplanmäßigen Übernachtung geführt, die hier auch lohnend ist! Bei Veltliner Trockenfleisch und “Scalloppine Sottobosco” …mit frischen Waldpilzen vergeht die Zeit wie im Flug. Zumal die Materialseilbahn 50m neben dem Rifugio, die die einzige Lebensader des Weilers ist, vermuten lässt, dass der Nachschub an Köstlichkeiten nicht so schnell abreißt.
Allerdings haben wir auch über Chiavenna viel Gutes gehört und daher entsprechende kulinarische Pläne für den Abend gemacht. So reißen wir uns schließlich los und nehmen den schönen Abstieg durch den Wald unter die Sohlen. Bald ist der Bach erreicht, der sich malerisch über Felsformationen schlängelt und sich schließlich über eine Felsstufe zu Tal stürzt. Der Wanderweg führt professionell abgesichert und über Treppen hinab. Unterwegs erreichen wir bald einen herrlichen Badepool, der sich noch oberhalb der Wasserfälle von “Aqua Fraggia” an den Hang schmiegt. Wir können dem türkisen, aber eiskalten Naturpool nicht widerstehen!
Die Erfrischung macht uns fit für den Abend im malerischen Süd-Alpenstädtchen Chiavenna, das wir so- zusagen durch die Hintertür, entlang des Flüßchens Mera betreten. Die typischen Grotti, die mediterranen “Biergärten” oder doch treffender “Weingärten” lassen wir zunächst links liegen, da wir unser Hotel beziehen wollen und für den Abend schon ein festes Ziel haben. Doch dazu später mehr…..
Eine hervorragende Quelle für Touren im Grenzgebiet Schweiz/Italien aber auch für Hintergrundwissen und Inspiration ist das schöne Wanderbuch “Grenzschlängeln vom Schweizer Erfolgsduo Jürg Frischknecht und Ursula Bauer: