Landschaftlicher Luxus und kulinarische Versuchungen pur! Unterm Biancograt von der Coaz zur Tschierva Hütte.
Schon das morgentliche Zähnepuzzen in der Coaz Hütte ist ein Erlebnis! Der Blick schweift dabei nämlich der Länge nach über das gesamte Val Roseg und den direkt unter der Hütte liegenden langgezogenen Gletschersee, den Lej da Vadret. Von den eisgepanzerten Gipfeln des Bernina Massivs ganz zu schweigen! Die Nacht in den trapezförmigen (!) Lagern dieser “Designerhütte”, über die wir hier bereits berichteten, haben wir bestens überstanden. Der sensationelle Ausblick auf beinahe die gesamte Route des heutigen Tages sorgt dafür, dass das Frühstück kurz ausfällt. Wir wissen nicht recht, worauf wir uns am meisten freuen sollen: Den beeindruckenden Weg durch die Moränenlandschaft des Val Rosegg, die Pause am feinen Sandstrand des Gletschersees, die abenteuerliche Überquerung des Gletscherflusses mit Hilfe einer Seilbrücke, oder etwa das legendäre Dessertbuffet am Hotel Roseggletscher? Erlebnismäßig reichen diese Sehenswürdigkeiten sicher für weit mehr als einen Wandertag der Superlative! Und soviel ist sicher: Am Abend werden wir in einer weiteren dieser eigenwilligen SAC Hütten übernachten, die aus einem Architektenwettbewerb hervorgegangen sind. Aber eins nach dem anderen….
Der Abstieg führt uns zunächst gemächlich und fast eben ein Stück zurück Richtung Forcla Surlej. Gefühlte T 0,5 gemäß der von uns spontan nach unten erweiterten Schwierigkeitsskala des SAC. Doch der Weg wir schnell anstrengender beim Abstieg Richtung Lej da Vadret. Wie ein milchig graues Band liegt der ca. 1,5km lange, sogenannte Zungenbeckensee unter uns, während wir in dem mit Blöcken durchsetzten Hang aus Gletscherschutt schnell an Höhe verlieren. Ein feiner Sandstrand auf 2160m Höhe erwartet uns! Hier fließt er also zu Tal, der Roseggletscher, der an der Coaz Hütte noch zum greifen nah war. Kaum vorstellbar, dass er sich noch bis 1934 zwei Kilometer weiter talauswärts mit dem Tschiervagletscher vereinigte! Was geblieben ist, ist eine gigantische Moränenlandschaft und der seit 1954 existierende See. Der entstand als sich der Gletscherbach nach starken Niederschlägen ein neues Bett suchte und von der Mittelmoräne aufgestaut wurde. Von diesem perfekten Rastplatz können wir uns nur losreißen weil uns schon das nächste Highlight erwartet. Die Überquerung des reißenden Gletscherbachs per Seilbrücke. Diese befindet sich unterhalb der Moräne des Tschiervagletschers, wenn man den Weg bei einer gelb/schwarzen Metallstange am Wegesrand nach rechts verlässt. Hier steht nun eine der schwierigsten Entscheidungen des Tages an: Abenteuerlich über den Bach und dann in der Fallinie hoch zum Zustieg zur Tschierva Hütte, oder doch talauswärts bis zum Hotel Roseggletscher mit seinem sensationellen Desserbuffet? Irgendwie war es vorher klar. Der geist war willig , aber das Fleisch war schwach. Also Dessertbuffet! Das will allerdings hart erarbeitet sein. Nein, nicht alpinistisch, sondern eher durch eine hohe Toleranzschwelle für gegenüber den Alpinausflüglern, die diesen Ort zum Tagesprogramm erkoren haben. Aber die frischen Heidelbeeren nach den Tagliatelle mit Pfifferlingen entschädigen für einiges!
Wir verlassen den betriebsamen Ort und steigen zunächst durch herrlichen Lärchenwald auf. Der Weg gewinnt schnell an Höhe und mündet schließlich direkt auf den Kamm der gigantischen Seitenmoräne des Tschiervagletschers. Direkt über uns steigt die scharet Schneide des Biancograt bis auf 4049m in den stahlblauen Himmel. Was für ein Panorama! Da vergisst man dann schon mal, dass der Weg auf dem Moränenkamm nur 30cm breit ist und die Moräne rechts extrem steil abfällt. Wir bleiben also besser stehen, als wir den majestätischen Gipfelaufbau der Schneekuppe (3918m) bewundern, die das Panorama auf der anderen Seite des Gletschers vervollständigt! Am Ende des Aufstiegs erwartet uns eine weitere skurile SAC Hütte. Die altehrwürdige Chamanna Tschierva mit ihrer trutzigen Steinbauweise wurde als Resultat eines Architektenwettbewerbs und mit einer Investition von 1,65 Millionen Franken um einen “stylischen” Kubus erweitert. (Mehr zum Umbau) Komplett mit Lärchenholz verkleidet setzt dieser Hüttenwürfel einen interessanten Akzent in der sonst auf dieser Höhe von Fels und Eis geprägten Hochgebirgslandschaft. Der St. Moritzer Architekt Hans-Jörg Ruch hat auch innen minimalistische Designarbeit geleistet. Kein Detail der schlichten Inneneinrichtung mit ihren glatten Holztischen lenkt vom phantastischen Gletscherpanorama ab, das über die riesigen Panoramafenster fast über 360 Grad einsehbar ist! Man muss es mögen, aber einzigartig ist es schon, was da an einigen Stellen in den Schweizer Alpen steht. Und wer mehrere derartige “Designhütten”, wie zum Beispiel auch die Cristallina Hütte im Tessin besucht hat, kann sich bald einer gewissen Faszination dieser Kontraste nicht mehr entziehen.
Erkunden Sie die Tour zur Coaz Hütte!
…und hier geht es zum von uns empfohlenen Wanderführer und zur besten Landkarte für das Engadin: