Eisschlag in den Bergamasker Alpen! Und wir dachten der Sentiero delle Orobie sei ungefährlich….

Orobie-Rif-CalviWie ein Gürtel zieht sich der Sentiero delle Orobie quer durch die Bergamasker Alpen nördlich von Bergamo. Im deutschen Sprachraum nach wie vor eine  “Terra Incognita” die, wie sich zeigen sollte, nicht nur liebliche Abschnitte wie den Sentiero dei Fiori beinhaltet, sondern auch Eisgeschosse in allen, teils gigantischen Korngrößen aufbietet. Das wurde uns allerdings erst auf der Etappe vom Rifugio Calvi zum Rifugio Baroni al Brunone so richtig klar!
Dabei deutete auf der sonnenbeschienenen Hüttenterrasse des Rifugo Calvi, das wir schon früh am Tag erreichten nichts auf das Schauspiel hiOrobie-Calvi-Hageln, das uns beim Abendessen geboten werden sollte. Am späten Nachmittag beobachteten wir aber dann doch mit steigendem Interesse wie sich die Wolkentürme über den umliegenden Gipfeln immer höher auftürmten und der sonnige Landschaftseindruck immer mehr einer Weltuntergangsstimmung wich. So what! Wir sind ja in Sicherheit und freuen uns auf das in dieser Gegend garantiert kulinarisch wertvolle Abendessen. Schließlich sind wir ja in der Lombardei! Damit, dass der nahende Wettersturz genau dieses Abendessen verzögern könnte hatten wir allerdings nicht gerechnet. Erst als der Hüttenwirt in immer kürzeren Abständen immer hektischer telefoniert, wird klar dass es gerade wichtigeres als Kulinarik gibt. Sein besorgter Blick durch das Fernglas in die Orobie-Lago-Rotondogegenüberliegenden Steilhänge die bereits von einer Hagelfront in fahles Licht getaucht werden macht schnell klar, dass die Telefonate Notrufe einer Gruppe waren die, wie sich später zeigen sollte, bis nachmittags in Mailand im Büro saß und dann versuchte noch am Abend das Rifugio Calvi zu erreichen. Bei dem nahenden Hagelsturm keine gute Idee! Als schließlich Taubenei große Hagelkörner wie Geschosse in die tiefen Pfützen einschlagen, die der vorher durchziehende Wolkenbruch hinterlassen hatte, ist endgültig Schluss mit lustig und das Naturschauspiel und die daraus resultierende Gefahr für die Milanesi zieht die Aufmerksamkeit aller auf sich. Bei Dunkelheit, gegen 21 Uhr, erreichen dann doch einige völlig erschöpfte und tropfnasse Gestalten das Rifugio, in dem sich zu dieser Zeit bereits alle wieder dem mehrgängigen Menue zugewandt hatten. Die Rücksäcke hatten sie als Schutzschilde über ihren Köpfen benutzt um im offenen Gelände nicht vom Hagelschlag verletzt zu werden. Nach diesem etwas unwirklichen Szenario bei Käseplatte und Dolcetto bleibt nur die Hoffnung auf besseres Wetter am Morgen. Und die sollte sich erfüllen!

Der Teufelsberg macht seinem Namen alle Ehre!
Über den Passo di Valsecca (2496m), vorbei am Pizzo del Diavolo (2916m) wollen wir dem Sentiero OrobieOrobie-Wasserfall-1 folgend die steilen, stark zergliederten Hänge hinüber zum Rifugio Baroni al Brunone überwinden. Der grandiose Auftakt mit dem herrlichen Lago Rotondo, der uns direkt neben der Hütte im gleißenden Schein der Morgensonne empfängt lies zunächst nicht vermuten, dass auf unserer Route Eis, wenn auch in einer ganz anderen Größenordnung, erneut eine zentrale Rolle spielen sollte. Teils schattige Schneefelder querend schrauben wir uns hoch Richtung Pass. Obwohl in einem wunderschönen NOrobie-Wasserfallaturschauspiel Wassermassen zu Tal schießen und uns dabei vor so manche Herausforderung bei den Bachüberquerungen stellen, scheint die Schneeschmelze noch nicht am Passo angekommen zu sein. Eine makellose Firnfläche breitet sich unterhalb der Passmulde aus. Wir entscheiden uns für die Direttissima und sind überwältigt vom Panorama das sich auf der anderen Seite, hoch über dem Valle Seriana bietet. Steilflanken soweit das Auge reicht und als Krönung das landestypisch knallrote Bivacco Frattini, das kühn auf einer Gratschneide direkt vor dem grasgrünen Zahn des Pizzo Tendina etwas unterhalb des Passes trohnt. Was für ein Platz für die Mittagspause!
Orobie-Passo-di-Val-SeccaDie steilen Hänge Richtung Norden, die unseren Weiterweg vorgeben mahnen schnell zum Aufbruch. Unterhalb der steilen Gipfelaufbauten der Pizzo del Diavolo Kette kleben noch meterhohe zu Eis erstarrte Schneefelder. Das sollte uns allerdings erst richtig bewusst werden als der Erste unserer Gruppe bei der Querung der Steilhänge ein lautes “Aaaaachtung!!!!” ausstößt. Instinktiv geht der Blick nach oben. Und was wir da erblicken lässt uns erschaudern! Der Pizzo Diavolo hatOrobie-Passo-di-Valsecca einen riesigen Eisblock in Richtung Tal geschickt! Dieser lombardische Serac, der so groß ist wie eine Wohnzimmerschrankwand schießt in einer Höllengeschwindigkeit genau auf uns zu. Wenn uns dieser Block erwischt fegt er uns aus dem Steilhang! Kein Zweifel! In einem halsbrecherischen Spurt über den Schotterhang versuchen wir dem Fiasko zu entgehen. Aber der Teufelsberg meint es scheinbar ernst! 20 Meter über uns teilt sich das Eisgeschoß in zwei riesige Brocken um auch sicher zu sein mindestens zwei von uns ins Tal zu befördern. Nur ein beherzter Sprung in den Geröllhang bewahrt uns vor schlimmerem. Die Schürfwunden und zerrissenen Klamotten sind da ein vergleichsweise kleOrobie-Passo-di-Valsecca-1ines Übel. Und trotzdem benötigen wir einige Zeit um uns wieder zu “sammeln”. Glück gehabt und wieder mal gelernt, dass die Natur im Zweifel am längeren Hebel sitzt. Der Weiterweg in den Steilhängen und über Schneefelder erfordert auch ohne derartige Erlebnisse durchaus Konzentration. Uns wird allerdings trotz des Kaiserwetters bis zum Rifugio Baroni al Brunone noch mehr abverlangt, da sich der Blick ab hier stets respektvoll nach oben richtet um ja nicht dem nächsten Eisanschlag zum Opfer zu fallen!
Orobie-Bivacco-FrattiniMit blutigen Knien, aber sicher erreichen wir das Rifugio und können kaum glauben, dass es das für heute mit dem Eis noch nicht gewesen sein sollte! Bereits beim Rotwein, und dennoch erwartet uns ein Déjà-vu des gestrigen Abends. Der Himmel verdunkelt sich und die Hänge die wir noch vor wenigen Stunden gequert haben färben sich weiss von den Hagelkörnern die die abendliche Schlechtwetterfront über den Gipfeln und Steilhängen ausspuckt. Von der Hüttenterrasse überblicken wir ein Weltuntergangspanorama das beinahe Einblick in unseren gesamten Weg seit der Überquerung des Passo di Valsecca gewährt. Pizzo-del-DiavoloDa fällt es noch leichter sich schnell in das gastfreundliche Rifugio zu verziehen und dort das in der Gegend gewohnt köstliche mehrgängige Menue Balsam für die geschundenen Kreaturen sein zu lassen. Ob das mit dem Eis so weiter geht lesen Sie in Kürze an dieser Stelle.

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