Das Val Bavona, das bei uns auch gerne unter der Bezeichnung “Little Yosemite im Tessin” läuft, hat bekanntlich einiges zu bieten …..wenn man die extreme Steilheit und Unzugänglichkeit der Talflanken nicht scheut. Die Himmelsleiter die ein g
ewisser Guiseppe Zan Zannini aus Cavergno vor fast 200 Jahren in diese beinahe senkrechten Felswände des Val di Foioi “gezaubert” hat sucht allerdings selbst in dieser Vertikallandschaft ihres gleichen!
Die pure Not war es, die die Menschen im Tal damals zwang selbst kleinste Weideflächen hoch über dem Talboden zu erschließen. Und das in einem Tal das so unzugänglich ist, dass nach heutigen Maßstäben ganze 1,7% der Gesamtfläche als landwirtschaftlich nutzbar gelten. Wie gelang diese kühne Erschließung nur? Über phantastische Treppenanlagen deren Erbauung man sich heute kaum noch vorstellen kann. So geschehen im düsteren Schlund des Val di Foioi, der sich direkt hinter dem Weiler Faed mit seiner schönen Kapelle in eine unzugängliche Bergwildnis hochzieht. 
Als Wanderer erschaudert man schon im Talboden vor dem Anblick dieser Felsfluchten. Undenkbar, dass es dort einen Weg nach oben gibt! Und doch hat Guiseppe ihn 1833 erschaffen. Und er hat seine Tat in Stein gemeissselt. Nämlich an der ersten großen Treppe, die eine fast senkrechte Felsstufe überwindet und den Weiterweg zu den verheissungsvollen und damals Leben rettenden Grünflächen überhaupt erst ermöglicht. In akkuraten Lettern schrieb er dort in die glatte Felswand der diese atemberaubende Treppe folgt:
Io Giuseppe Zan Zanini di Caveg fece la strada per pasare le bestie bovine su l’alpe l’anno 1833+
(Ich, Giuseppe Zan Zanini aus Cavergno, baute diesen Weg im Jahr 1833, um das Vieh auf die Alp zu treiben).
Und dass das alles andere als gefahrlos war erschliesst sich sich dem Genusswanderer im 21. Jahrhundert sofort, auch ohne das Wissen, dass 29 Kühe und eine Tochter Zan Zaninis auf dem Weg in den Tod stürzten. Schon der Einstieg ist mit einer kurzen Wegsuche verbunden. Hinter Faed an der Bavona aufwärts zweigt der Weg im Talboden nach einer Holzbrücke und einem weiteren breiten Bachlauf des Ri di Foioi nach rechts in Richtung des Schluchteinganges und der senkrechten ihn begrenzenden Felswände ab. Auf der “Seitenmoräne” des Baches geht es teils weglos bergauf, bis eine s
enkrechte Wand ein Weiterkommen scheinbar unmöglich macht. Doch rechts öffnet sich der Einstieg in diesen Höllenschlund. Über scheinbar willkürlich angeordnete Gneisstufen schrauben wir uns in die Höhe. Erst bei genauerem Hinsehen wird der menschliche Eingriff des Wegebaumeisters Guiseppe Z.Z. erkennbar. Mit Bohrern und auch Sprengmitteln hat er so mache zentnerschwere Treppenstufe aus dem Berg herausgebrochen und dermaßen virtuos an ihren Platz gebracht, dass man sich Stellenweise auf einem Spazierweg glaubt. Diese Gefühl sollte sich allerdings bald ändern! Immer steiler wird der Weg. Die imposanten und bedrohlichen Wände die das Sichtfeld nach oben einschränken tun ihr übriges um den Wanderer zur Vorsicht zu mahnen. Die ist auch angebracht, spätestens als der Weg kurz vor der besagten ersten Treppe mit der berühmten Inschrift an einer Felswand entlang nach links schwenkt. Dort klaffen
mehrere hundert Meter “heiße” Tessiner Luft zwischen uns und dem Talboden! Der Weg ist zwar an dieser Stelle gut einen halben Meter breit, aber Tiefblicke ohne Netz und doppelten Boden sollte man an diesem Abgrund schon vertragen. Das gilt umso mehr für die Treppe selbst, auch wenn das Studium der unter Flechten nach fast 200 Jahren noch gut erkennbaren Inschrift (Klick auf die Fotos unten!) die meisten Wanderer in Ihren Bann ziehen d
ürfte. Und Zeit und Mittel für ein Geländer hatte Guiseppe wohl nicht! Erstaunlich, dass Zan Zanini, der sich das Geld für die Pacht der Alpe Foioi als Stallknecht in Rom (v-)erdiente, für diese kunstvolle Inschrift unter den damals herrschenden Bedingungen noch Musse hatte. Immerhin ging es nicht um die Anlage eines schönen Wanderweges, sondern um das pure Überleben! Und dass das nicht einfach war bezeugen eindrucksvolle Zahlen aus dem Pfarreiregister von Cavergno. Zan Zanini zeugte demnach 16 Kinder mit drei verschiedenen Ehefrauen. Letztere überlebte er alle. Von den Kindern überlebten
allerdings alleine 7 bereits das Kindesalter nicht. Zu allem Überfluss stürzte dann auch noch eine seiner Töchter im Alter von 20 Jahren auf dem Abstieg von der Alpe Foioi in den Tod. Bis an sein Lebensende soll Guiseppe am Fluss entlang gewandert sein, in der Hoffnung den Leichnam seiner Tochter zu finden. Als er 1867 die Alpe an die Gemeinde Cavergno zurückgab hatte er also neben seiner einzigartigen Leistung als Älpler und Wegebauer auch eine kaum vorstellbare Zahl von Schicksalsschlägen zu verkraften. Auch diese historischen Hintergründe machen die Begehung des Weges bis
zur ersten Treppe zu einem besonders eindrücklichen Erlebnis. Der Weiterweg sei allerdings nur sehr erfahrenen Berggängern empfohlen. Die Weganlagen sind teils verfallen und befinden sich in stark ausgesetztem Gelände. Daher sollten alle Aspiranten wissen, auf was sie sich einlassen! Wir raten von einer Begehung ausdrücklich ab!
Nicht umsonst ist über diesen Weg und seinen Erbauer ein leider bereits vergriffenes Buch erschienen, das ihm in gewisser Weise ein verdientes Denkmal setzt. Giuseppe Brenna, der wohl beste Kenner der Tessiner Alpen, hat es verfasst: “Giuseppe Zan Zanini e la Valle di Foiòi”; Salvioni Edizioni, Bellinzona. Mehr über die “Treppenwege in den Himmel” über dem Val Bavona erfahren Sie hier.
Tags: Tessin, Val Bavona
Dass diese Aussage ihre Berechtigung hat wissen wir seit langem. Schließlich zählt das Maggiatal und seine vielen Seitentäler, wie das Val Lavizzara oder das Val Bavona nicht umsonst zu unseren bevo
rzugten Revieren auf der Alpensüdseite. Und auch die Wanderführer aus der Naturpunkt Serie des Rotpunktverlages gehören seit langem zu unseren favorisierten Begleitern vor Ort. Dass nun beide Vorlieben seit kurzem in Kombination auftreten, nachdem der Schweizer Autor Thomas Bachmann unter obigem Titel eines der, wie sich zeigen sollte, besten Wanderbücher über das hinlänglich beschriebene Tessin verfasste, freute uns sehr und wir waren gespannt das Buch in die Finger zu bekommen…..wir sollten nicht enttäuscht werden!
(Details durch Klick auf das Bild!)
In Form von 40 Wanderungen hat der Autor das Gebiet für den Leser/Wanderer “aufbereitet” und führt sie/ihn dabei von den gemäßigten Vorgipfeln am nahen Lago Maggiore bis hinauf in die Hochgebirgswelt um den Basodino. Von Vertikallandschaften ist da zu Recht die Rede. Dass alle logistischen Details in grafisch ansprechenden Übersichten und Karten präsentiert werden ist bei Rotpunkt selbstverständlich. Doch die Qualität der Tourenbeschreibungen beginnt da wo die anderer Publikationen endet.
Jenseits der Höhenmeter, Gehzeiten und (schöner!) Routenkarten lauert das Erlebnis!!
Thomas Bachmann versteht es dem Leser (ja, Leser, nicht nur dem Wanderer!) dieses Tal in einfühlsamer Weise näherzubringen. Je mehr Touren man studiert desto stärker wird der Wunsch gleich aufzubrechen. Die Tourenauswahl tut ihr übriges. Weit entfernt von der “zu Tode” publizierten Einheitskost finden sich auch für Kenner immer wieder neue Tipps mit hohem Erlebnisfaktor. So zum Beispiel die Tour zu den in senkrechter Felswand angelegten Treppenanlagen des Giuseppe Zan Zanini der diese 1833 schuf um seine Herden auf sonst unerreichbaren Weiden grasen zu lassen (…wir werden in Kürze an dieser Stelle darüber berichten). Ein wesentlicher Aspekt der neben den hervorragenden Fotos, beim Leser eine spontane Verbundenheit mit dem Valle Maggia auslöst sind aber sicher auch die zwischen die Touren eingestreuten sehr fundierten Hintergrundartikel. Da spannt der Autor den Bogen extrem weit. Vom politischen Streit der letzten Jahre über die Rusticobebauung oder den Nationalpark Locarnese, über die einfühlsame Darstellung der berühmten Bildhauerschule in Peccia, die Walserkultur in Bosco Gurin, bis hin zur Beschreibung der Geschichte architektonischer Meisterleistungen wie der Kirche von Mario Botta in Mogno. Auf diese Bandbreite sollte man sich schon vor der Tour bewußt einlassen….. Wir empfehlen daher jedem, dieses Buch auch als Lesebuch zu verstehen und nicht nur als Wanderführer, denn erst dann erschließt sich die Faszination dieses Gebietes in seiner Gänze, getreu dem Motto: “Man sieht nur was man weiss!”
Tags: Tessin, Valle Maggia
Jeder kennt sie, zumindest vom Hörensagen. Nein! ….nicht die schöne Sennerin, die sich zum geflügelten Wort dieser Tour entwickeln sollte. Die großen Namen wie Mont Blanc, Les Diablerets, Dents du Midi oder die Eisgipfel der Combin. Und alle kommen sie vor auf einer herrlichen, etwa fünftägigen Runde um das Grand Muverans Massiv, das sich 3051m hoch über dem Rhonetal, im Wallis, aufbaut. Wenn auch “nur” in Form spektakulärer Ausblicke! Die faszinieren zwar, können uns aber trotzdem nicht ablenken von
einigen Highlights die die Tour auf mittleren Höhen jenseits der 2000er Grenze auch zu bieten hat. Inklusive Blick auf “Die schöne Sennerin”! Ob es nun die Jahrhunderte alten Weisstannen am Lac de Derborance sind, die in einer archaisch anmutenden Landschaft stehen, die den Wanderer augenblicklich virtuell nach Kanada versetzt, oder das Aufeinanderknallen der Steinbockgehörne die im Kampf um die Weibchen in unzugänglichen Schuttkaren hoch über uns als Waffen dienen. Karge aber eindrucksvolle Pässe, herrliche Hochtäler, die bereits erwähnten Sensationspanoramen und ein
e sehr gute Hütteninfrastruktur sind Zutaten, bei denen man sich eigentlich wundert, dass diese Tour nach Schätzung der örtlichen Hüttenwirte pro Saison wohl nur von etwa 500 Wanderern begangen wird. Vielleicht liegt’s ja daran, dass die Runde schon erobert sein will. Oder doch daran, dass alle auf der nahegelegenen Tour du Mont Blanc unterwegs sind? Knackige Höhenunterschiede, Strecken auf denen die Wasserversorgung im Sommer gut geplant sein will und etwas ausgesetzte Varianten, die auch nicht jedermanns Sache sind könnten ihren Teil dazu beitragen, dass man hier noch seine Ruhe hat.
Eines unserer Highlights auf der Tour des Muverans ist sicher die Alpage de la Vare die in einem herrlichen, langestreckten Hochtal liegt. Als wir zum Einstieg der Tour über Villars anreisen und dann den Weg über Anzeinde unter die Sohlen nehmen, ahnen wir noch nicht welche tollen Eindrücke unterschiedlichster Art uns an diesem Ort erwarten sollten. Knallgrün setzt sich der Wiesenboden des La Vare Hochtales von den 1000 Meter höher aufragenden stahlgrauen Gipfeln die
es umgeben ab. Wie ein grüner Leuchtstreifen geleiten uns die Wiesen ohne auch nur eine Möglichkeit
sich zu verlaufen zur gleichnamigen Alpe. Einfach die Gebäude, aber umso liebevoller im Detail dekoriert. Ob das die Blumenkästen sind, die die Fenster schmücken, oder die handbemalte Schieferplatte, die quasi als Aushängeschild dient. In den liebevollen Details wird klar, dass hier wohl eine (schöne?) Frau wirken muss. Als wir uns erschöpft vor der Hütte und neben der mongolischen Jurte(!), in der man auch übernachten kann niederlassen, erkennen wir sehr schnell, dass Nathalie und Pascal den Anspruch haben, trotz einfacher “Architektur” aus dieser Alm einen Kraftort zu machen. Und wie den beiden das gelungen ist!
Das Gipfelpanorama ringsum ist eindrucksvoll. Doch das kulinarische Panorama, das uns beim Abendessen erwarten sollte hatte es ebenfalls in sich. Das beginnt bereits mit dem außergewöhnlichen Speiseraum, in dem die beiden mit einfachsten Mitteln eine heimelige Atmosphäre geschaffen haben. Blanke Bretter liegen auf grobem Schotter der den
Fußboden des Raums bildet. Die runden Tische mit ihren fest angebauten Bänken ringsum sollten sich bald mit all dem was die Alpe und die umliegenden Berge bieten füllen und so der spröden Gemütlichkeit des Raums die Krone aufsetzen. Pascal ist Schäfer aus Leidenschaft und zieht mit seinen Herden bei Wind und Wetter durchs Wallis. Dass dabei ein Käse entsteht der seinesgleichen sucht, ist beinahe zu erwarten. Und dennoch bedarf es der
Kunst der “schönen Sennerin” um die Rohmilch dermaßen zu veredeln, dass man sein Lebtag keinen Käse aus dem Supermarkt mehr anrühren möchte! Und wie das geht sollten wir am nächsten Morgen, zusammen mit Nathalie, live erleben dürfen. Doch zuvor hieß es die herrlich in Kräuteröl eingelegten Käse und die vielfältigen Fleischspezialitäten der Alpage de la Vare zu verkosten. Dass da auch die Wurst und der Schinken von der Gämse nicht fehlen darf ist klar. Und schon bei der Betrachtung der liebevoll dekorierten
Teller ist da wieder dieses Gefühl, dass hier wohl eine “schöne” (?)Sennerin ihr Unwesen treibt. Wir sollten nicht lange auf die Folter gespannt werden um das Rätsel zu lösen. Nathalie (!) und Pascal gesellen sich zu uns an den Tisch vor dem wohligen Kachelofen und dann war alles klar! Und am nächsten Morgen erleben wir Nathalie in der kleinen Käserei bei der Herstellung des in Kräuteröl eingelegten Frischkäses……und möchten bleiben. Wegen des Käses natürlich! Aber wie war das mit Rundtouren? Nur wer weiter geht kommt zurück.