Archiv für das Tag 'Tessin'

Du suchst im Moment im Archiv von Magic Mountainzones.

Unterwegs im Valle di Campo, zwischen Dörfern die auf dem Weg in den Abgrund waren und Gipfeln um die ein Kampf der Ziegen tobte.

Campo-Tessin-Maggia

Was für ein Kontrast am Ende des Valle di Campo, einem Seitental des Maggiatals im Tessin! Auf Hangterrassen liegen sie wie auf einem grünen Tablett präsentiert da, Campo und Cimalmotto, die beiden Weiler im hintersten Talschluss. Dort wo die Welt und alle Straßen in einem eindrucksvollen Amphitheater von Gipfeln enden. Darunter die Schlucht der Rovana, die beinahe zum Schicksalsfluss beider Dörfer geworden wäre. Darüber deCimalmotto-Tessin_Kircher Pizzo  Bombögn (2331m), dessen Gipfelaufbau durch eine kühn in Falllinie erbaute Steinmauer in zwei Hälften zerteilt wird. Und zwischendrin strahlen die Palazzi der Familie Pedrazzini mit ihren noch heute von Wohlstand zeugenden Fresken einen morbiden Charme aus, dem man sich nur schwer entziehen kann!

Ein Dorf auf dem Weg in den Abgrund der Rovana Schlucht
Schon an der Kirche in Cimalmotto wird klar, dass die Natur hier, wenn auch durch den Menschen ausgelöst, eine ganze Dorfgemeinschaft existenziell bedroht hat. Die eindrucksvollen Fresken haben dem nicht Stand gehalten und zeigen tiefe Risse. Kein Wunder, so ist doch der Hang unter Cimalmotto, vermutlich ausgelöst durch die Flutwellen die in der Rovana zur Flösserei durch Staustufen erzeugt wurden, im 19. Jahrhundert unterspült worden, was schließlich dazu führte, dass der Ort mit samt der Kirche Santa Maria Assunta zwischen 1850 und 1950 um 53 Meter in Richtung Schlucht abrutschte!  Wie sich durch intensive geologische Analysen zeigte wurde das durch den Wasserdruck ausgelöst, den die Rovana in einer bis 170 Meter dicken Gleitschicht unter dem Dorf erzeugte. Damit war dann auch die Lösung des Problems gefunden. 90Cimalmotto-Rovana Millionen Franken und einen1800 Meter langen Entwässerungsstollen später konnte die Hangrutschung mit ihrem gigantischen Volumen von 800 Millionen Kubikmetern schließlich zum Stillstand gebracht werden. Zum Glück! Auch wenn Campo mit seinen heute 62 Einwohnern damit zu einem der höchst subventionierten Dörfer Europas zählen dürfte.

Keiner hatte die Absicht eine Mauer zu bauen…
……… bis die Ziegen aus Cimalmotto und jene aus dem berühmten Walserdorf Bosco Gurin sich die Weiden um den Gipfel des Pizzo Bombögn streitig machten. Da wurde es Alpe-Quadrella-Tessinden Älplern schnell zu bunt und sie errichteten, wohl weniger schnell,  eine ca. zwei Meter hohe, kühn angelegte, Mauer die entlang der Falllinie bis zum Gipfel reicht und dort oben für Ordnung sorgt! Und diese Demarkationslinie wollten wir uns natürlich ansehen.! Nachdem uns die Risse in den Fresken der Pfarrkirche von CimalmCampo-Valle-Maggiaotto doch etwas nachdenklich zurück gelassen haben, nehmen wir den schönen Pfad zur Alpe Quadrella unter die Sohlen. Schön liegt sie da, in einer Wiesenmulde auf 1791m. Hier könnte man schon ein erstes Mal “hängenbleiben” um die Gedanken zurück schweifen zu lassen, in eine Zeit zu der die heute so romantisch wirkenden Hütten noch ein überlebenswichtiges “Handwerkszeug” der Älpler waren, die ihnen ein karges Dasein sicherten. Doch wir wollen ja zur Ziegenmauer! In weitem Bogen schlängelt sich der Weg nach oben. Manchmal muss man schon genau hinsehen um im steilen, mit Lärchen bewaldeten Hang, die Tritte richtig zu setzen. Zum Glück sind wir mit guten Wanderschuhen ausgerüstet! Auch der rechtwinklige Abzweig, der schließlich zur Mauer Mauer-Bomboeng-Cimalmottohoch führt ist nur mit erhöhter Aufmerksamkeit zu finden. Immer spektakulärer werden auch die Tiefblicke. Campo direkt unter uns, wie aus der Heliperspektive! Und Cimalmotto, weiter hinten im Talschluss gelegen , wie auf dem Präsentierteller, bzw. auf der Abschussrampe in die Rovanaschlucht. Und oben das Ziegenbollwerk, welch ein spannender Export der Zivilisation bis in die Gipfelregionen!

Ziegenmauern schweben über Palazzi, was für ein Kontrastprogramm!
Im Abstieg wird uns dann schnell die kulturelle Dimension dieses heute fast verlassenen Talschlusses klar. Unter den noch im 17. Jahrhundert hier lebenden 1500 Familien gab es nämlich einige, die zwar der bitteren Not gehorchend zunächst Ende des 18. Jahrhunderts nach Amerika oder Neuseeland auswanderten, es dort aber zu Reichtum brachten. Und dieser ist heute noch in Form herrlich morbider Palazzi in Campo zu bestaunen. Einer dieser Zeitzeugen ist das Ensemble des Palazzo Pedrazzini der noch heute, wenn auch von von Rissen durchzogen, Pedrazzini-Cimalmottovon Reichtum zeugt und die angegliederte Kirche San Giovanni Battista stützt, oder umgekehrt. Die Pedrazzini Familie war nur ein von mehreren, die hier ihre kulturellen Spuren hinterlassen haben und die nach Ihrer Rückkehr in die alte Heimat das Tal nicht nur architektonisch sondern auch durch die Ausübung vielfältiger politischer und gesellschaftlicher Ämter bereichert haben. Und das teils bis in 20. Jahrhundert.Pedrazzini-Palazzo-Cimalmot

Was liegt an solch einem Ort näher, als sich in Sichtweite der freskengeschmückten Palazzi an einem durch die Sonne zum glühen gebrachten Tessiner Granittisch niedCimalmotto-Tessin-Fornoerzulassen und den Blick noch einmal bis hoch zum Schlachtfeld der Ziegen schweifen zu lassen und dabei einen Merlot mit Käse und dazu das berühmte Pane Valle Maggia zu genießen…..? Und das kommt, der Hangstabilisierung sei Dank, auch heute noch aus einem Ofen aus dem Jahr 1773!

Wanderführer Tipp: “Valle Maggia, Wandern in einem spektakulären Tessiner Tal”, Rotpunkt Verlag. Hier geht es zu unserer Rezension!

Geschrieben von Michael | Abgelegt unter Schweiz, Tessin, Täler | Keine Kommentare

Unterwegs auf der Himmelsleiter des Giuseppe Zan Zanini. Val Bavona at it’s best!

Das Val Bavona, das bei uns auch gerne unter der Bezeichnung  “Little Yosemite im Tessin” läuft, hat bekanntlich einiges zu bieten …..wenn man die extreme Steilheit und Unzugänglichkeit der Talflanken nicht scheut. Die Himmelsleiter die ein gFaed-Val-Bavonaewisser Guiseppe Zan Zannini aus Cavergno vor fast 200 Jahren in diese beinahe senkrechten Felswände des Val di Foioi “gezaubert” hat sucht allerdings selbst in dieser Vertikallandschaft ihres gleichen!
Die pure Not war es, die die Menschen im Tal damals zwang selbst kleinste Weideflächen hoch über dem Talboden zu erschließen. Und das in einem Tal das so unzugänglich ist, dass nach heutigen Maßstäben ganze 1,7% der Gesamtfläche als landwirtschaftlich nutzbar gelten. Wie gelang diese kühne Erschließung nur? Über phantastische Treppenanlagen deren Erbauung man sich heute kaum noch vorstellen kann. So geschehen im düsteren Schlund des Val di Foioi, der sich direkt hinter dem Weiler Faed mit seiner schönen Kapelle in eine unzugängliche Bergwildnis hochzieht. Foioi-Val-Bavona
Als Wanderer erschaudert man schon im Talboden vor dem Anblick dieser Felsfluchten. Undenkbar, dass es dort einen Weg nach oben gibt! Und doch hat Guiseppe ihn 1833 erschaffen. Und er hat seine Tat in Stein gemeissselt. Nämlich an der ersten großen Treppe, die eine fast senkrechte Felsstufe überwindet und den Weiterweg zu den verheissungsvollen und damals Leben rettenden Grünflächen überhaupt erst ermöglicht. In akkuraten Lettern schrieb er dort in die glatte Felswand der diese atemberaubende Treppe folgt:

Io Giuseppe Zan Zanini di Caveg fece la strada per pasare le bestie bovine su l’alpe l’anno 1833+

(Ich, Giuseppe Zan Zanini aus Cavergno, baute diesen Weg im Jahr 1833, um das Vieh auf die Alp zu treiben).

Val-Bavona-TreppeUnd dass das alles andere als gefahrlos war erschliesst sich sich dem Genusswanderer im 21. Jahrhundert sofort, auch ohne das Wissen, dass 29 Kühe und eine Tochter Zan Zaninis auf dem Weg in den Tod stürzten. Schon der Einstieg ist mit einer kurzen Wegsuche verbunden. Hinter Faed an der Bavona aufwärts zweigt der Weg im Talboden nach einer Holzbrücke und einem weiteren breiten Bachlauf des Ri di Foioi nach rechts in Richtung des Schluchteinganges und der senkrechten ihn begrenzenden Felswände ab. Auf der “Seitenmoräne” des Baches geht es teils weglos bergauf, bis eine sVal-Bavona-Treppe-Foioienkrechte Wand ein Weiterkommen scheinbar unmöglich macht. Doch rechts öffnet sich der Einstieg in diesen Höllenschlund. Über scheinbar willkürlich angeordnete Gneisstufen schrauben wir uns in die Höhe. Erst bei genauerem Hinsehen wird der menschliche Eingriff des Wegebaumeisters Guiseppe Z.Z. erkennbar. Mit Bohrern und auch Sprengmitteln hat er so mache zentnerschwere Treppenstufe aus dem Berg herausgebrochen und dermaßen virtuos an ihren Platz gebracht, dass man sich Stellenweise auf einem Spazierweg glaubt. Diese Gefühl sollte sich allerdings bald ändern! Immer steiler wird der Weg. Die imposanten und bedrohlichen Wände die das Sichtfeld nach oben einschränken tun ihr übriges um den Wanderer zur Vorsicht zu mahnen. Die ist auch angebracht, spätestens als der Weg kurz vor der besagten ersten Treppe mit der berühmten Inschrift an einer Felswand entlang nach links schwenkt. Dort klaffen Zan-Zanini-Treppemehrere hundert Meter “heiße” Tessiner Luft zwischen uns und dem Talboden! Der Weg ist zwar an dieser Stelle gut einen halben Meter breit, aber Tiefblicke ohne Netz und doppelten Boden sollte man an diesem Abgrund schon vertragen. Das gilt umso mehr für die Treppe selbst, auch wenn das Studium der unter Flechten nach fast 200 Jahren noch gut erkennbaren Inschrift (Klick auf die Fotos unten!) die meisten Wanderer in Ihren Bann ziehen dVal-Bavona-Treppe-Foioi-1ürfte.  Und Zeit und Mittel für ein Geländer hatte Guiseppe wohl nicht! Erstaunlich, dass Zan Zanini, der sich das Geld für die Pacht der Alpe Foioi als Stallknecht in Rom (v-)erdiente, für diese kunstvolle Inschrift unter den damals herrschenden Bedingungen noch Musse hatte. Immerhin ging es nicht um die Anlage eines schönen Wanderweges, sondern um das pure Überleben! Und dass das nicht einfach war bezeugen eindrucksvolle Zahlen aus dem Pfarreiregister von Cavergno. Zan Zanini zeugte demnach 16 Kinder mit drei verschiedenen Ehefrauen. Letztere überlebte er alle. Von den Kindern überlebten Zan-Zanini-Inschrift-Bavonaallerdings alleine 7 bereits das Kindesalter nicht. Zu allem Überfluss stürzte dann auch noch eine seiner Töchter im Alter von 20 Jahren auf dem Abstieg von der Alpe Foioi in den Tod. Bis an sein Lebensende soll Guiseppe am Fluss entlang gewandert sein, in der Hoffnung den Leichnam seiner Tochter zu finden. Als er 1867 die Alpe an die Gemeinde Cavergno zurückgab hatte er also neben seiner einzigartigen Leistung als Älpler und Wegebauer auch eine kaum vorstellbare Zahl von Schicksalsschlägen zu verkraften. Auch diese historischen Hintergründe machen die Begehung des Weges bis Zan-Zanini-Inschrift-Foioizur ersten Treppe zu einem besonders eindrücklichen Erlebnis. Der Weiterweg sei allerdings nur sehr erfahrenen Berggängern empfohlen. Die Weganlagen sind teils verfallen und befinden sich in stark ausgesetztem Gelände. Daher sollten alle Aspiranten wissen, auf was sie sich einlassen! Wir raten von einer Begehung ausdrücklich ab!

Nicht umsonst ist über diesen Weg und seinen Erbauer ein leider bereits vergriffenes Buch erschienen, das ihm in gewisser Weise ein verdientes Denkmal setzt. Giuseppe Brenna, der wohl beste Kenner der Tessiner Alpen, hat es verfasst: “Giuseppe Zan Zanini e la Valle di Foiòi”; Salvioni Edizioni, Bellinzona. Mehr über die “Treppenwege in den Himmel” über dem Val Bavona erfahren Sie hier.

Geschrieben von Michael | Abgelegt unter Schweiz, Tessin, Täler | 2 Kommentare

Valle Maggia, das bedeutet Wandern in einem spektakulären Tessiner Tal!

Dass diese Aussage ihre Berechtigung hat wissen wir seit langem. Schließlich zählt  das Maggiatal und seine vielen Seitentäler, wie das Val Lavizzara oder das Val Bavona nicht umsonst zu unseren bevoValle Maggia Wanderführerrzugten Revieren auf der Alpensüdseite. Und auch die Wanderführer aus der Naturpunkt Serie des Rotpunktverlages gehören seit langem zu unseren favorisierten Begleitern vor Ort. Dass nun beide Vorlieben seit kurzem in Kombination auftreten, nachdem der Schweizer Autor Thomas Bachmann unter obigem Titel eines der, wie sich zeigen sollte, besten Wanderbücher  über das hinlänglich beschriebene Tessin verfasste, freute uns sehr und wir waren gespannt das Buch in die Finger zu bekommen…..wir sollten nicht enttäuscht werden! Valle Maggia, das bedeutet Wandern in einem spektakulären Tessiner Tal! (Details durch Klick auf das Bild!)

In Form von 40 Wanderungen hat der Autor das Gebiet für den Leser/Wanderer “aufbereitet” und führt sie/ihn dabei von den gemäßigten Vorgipfeln am nahen Lago Maggiore bis hinauf in die Hochgebirgswelt um den Basodino. Von Vertikallandschaften ist da zu Recht die Rede. Dass alle logistischen Details in grafisch ansprechenden Übersichten und Karten präsentiert werden ist bei Rotpunkt selbstverständlich. Doch die Qualität der Tourenbeschreibungen beginnt da wo die anderer Publikationen endet.

Jenseits der Höhenmeter, Gehzeiten und (schöner!) Routenkarten lauert das Erlebnis!!

Thomas Bachmann versteht es dem Leser (ja, Leser, nicht nur dem Wanderer!) dieses Tal in einfühlsamer Weise näherzubringen. Je mehr Touren  man studiert desto stärker wird der Wunsch gleich aufzubrechen.  Die Tourenauswahl tut ihr übriges. Weit entfernt von der “zu Tode” publizierten Einheitskost finden sich auch für Kenner immer wieder neue Tipps mit hohem Erlebnisfaktor. So zum Beispiel die Tour zu den in senkrechter Felswand angelegten Treppenanlagen des Giuseppe Zan Zanini der diese 1833 schuf um seine Herden auf sonst unerreichbaren Weiden grasen zu lassen (…wir werden in Kürze an dieser Stelle darüber berichten). Ein wesentlicher Aspekt der neben den hervorragenden Fotos, beim Leser eine spontane Verbundenheit mit dem Valle Maggia auslöst sind aber sicher auch die zwischen die Touren eingestreuten sehr fundierten Hintergrundartikel. Da spannt der Autor den Bogen extrem weit. Vom politischen Streit der letzten Jahre über die Rusticobebauung oder den Nationalpark Locarnese, über die einfühlsame Darstellung der berühmten Bildhauerschule in Peccia, die Walserkultur in Bosco Gurin, bis hin zur Beschreibung der Geschichte architektonischer Meisterleistungen wie der Kirche von Mario Botta in Mogno. Auf diese Bandbreite sollte man sich schon vor der Tour bewußt einlassen….. Wir empfehlen daher jedem, dieses Buch auch als Lesebuch zu verstehen und nicht nur als Wanderführer, denn erst dann erschließt sich die Faszination dieses Gebietes in seiner Gänze, getreu dem Motto: “Man sieht nur was man weiss!” 

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...

Geschrieben von Michael | Abgelegt unter Schweiz, Tessin, Täler | Keine Kommentare

« Vorherige Einträge - Nächste Einträge »