Von Rimella durch verlassene “Dschungeldörfer” zum kulinarischen Nachtlager in der Käserei von Roj
Die hervorragenden Antipasti in der Albergo Fontana in Rimella wären uns beinahe zum Verhängnis geworden. Zum Glück haben wir ein Ziel das uns dann doch motiviert in Richtung Val Baranca aufzubrechen. Etwa 400 Höhenmeter trennen uns vom Weiler La Res, von wo wir das Ende unserer heutigen Etappe bereits aus der Vogelperspektive im Talgrund anpeilen können. Das sollte im Bezug auf die Orientierung auch noch dringend nötig werden…..
Beim Mittagessen auf der Terrasse der Albergo Fontana können wir bereits den Gegenanstieg studieren. Die Weiler Roncaccio Inferiore und Superiore liegen versteckt im dschungelartigen Grün des gegenüber liegenden Hanges. Wie wir beim Aufstieg schnell merken haben beide Weiler Ihre besten Tage leider lange hinter sich. Ein einziger Mensch begegnet uns und es sieht aus als sei er der Verwalter des Verfalls. Auch einige liebevoll gepflegte Blumenkästen vor zwei oder drei im Sommer noch bewohnten Häusern täuschen nicht darüber hinweg, dass wir durch eine längst aufgegebene Siedlung wandern. Das erklärt auch warum die Seile der Versorungsseilbahn inzwischen Rost angesetzt haben….
Durch den dichten Wald steigen wir hoch nach La Res, einer Siedlung bestehend aus Kapelle und drei oder vier Häusern. Ein breiter Grasrücken gibt den Blick frei in beide Richtungen. Vor uns der Abstieg zum Nachtlager im Val Baranca, hinter uns Einblicke in den gesamten Weg des Tages bis zurück zur Bochetta di Campello! Mal wieder sind wir-fast-alleine. Ein alter Schäfer beäugt uns aus der Ferne. Das war’s. Sonst nur Natur und herrliche Tiefblicke ….und die Vorfreude auf all das Gute, was wir schon über unser heutiges Ziel gehört haben.
Der Abstieg zum Weiler Belvedere ist problemlos. Dort angekommen wird es aber mit der Orientierung schwieriger. Hier wurde die GTA verlegt und am besten fragt man in Belvedere nach dem Weg. Wer auf Nummer sicher gehen will nimmt das Fahrsträßchen ins Tal. Vor dem Weiler geht es rechts ab wie sich herausstellen sollte, einer roten Markierung folgend. Wir haben das Glück, dass unsere ratlosen Blicke die Aufmerksamkeit eines ältere Herren auf sich ziehen. Er schlägt ohne Zögern vor, uns ins Tal zu führen. Immerhin ein Abstieg von
einer halben Stunde! Mal wieder genießen wir die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Menschen an diesem abgelegenen Ort und fragen uns etwas bedrückt, wie so eine Situation wohl zu Hause ausgegangen wäre… Durch lichten Wald und immer unser Ziel, den Weiler Roj, vor Augen steigen wir unter fachkundiger Führung ab. Nach kurzem Gegenanstieg erreichen wir die Latteria, die Käserei, von Roj mit dem angeschlossenen Bed & Breakfast “Stella Alpina”. Ein echter Glücksgriff. Die hier erzeugten Käse finden nicht umsonst auch bei Slow Food Beachtung. Der Empfang ist herzlich und wir beziehen gemütliche Appartements (!) …mit allem Komfort und einem Balkon, der im Abendlicht den Blick auf den Abstiegsweg von La Res freigibt. Hier hat der Chef ein gut geführtes und gemütliches Rifugium geschaffen in dem man für wenig Geld sehr gut übernachten kann. Besonders zu empfehlen ist das Zimmer unter dem Dach. Hier hat der Wanderer im Bett liegend durch ein großes Dachfenster freie Sicht auf den Sternenhimmel. Die Alternative, das Posto Tappa in Santa Maria di Fobello haben wir bei einem früheren Besuch kennen gelernt und können nur warnen. Dort muss man eher mit mangelnder Hygiene bei Essen und Unterkunft rechnen und auch in jüngster Vergangenheit scheint sich daran nicht viel geändert zu haben, glaubt man den Berichten anderer Wanderer.
Das kulinarische Highlight des Tages sollte allerdings am Abend folgen. Der Agriturismo “Il Campetto” am Ende der Fahrstraße ist durch die Überquerung der hinter der Käserei gelegenen Wiese in 3 Minuten erreicht. Wir werden bereits erwartet, da uns die Wirtin der Latteria angemeldet hat. Mal wieder die einzigen Gäste, genießen wir eine nimmer enden wollende Folge piemontesicher Köstlichkeiten und die ungeteilte Gastfreundschaft unserer Gastgeber, der Familie Tranquillo. Marinierte Bohnen, Zungensalat, Gemüsetorte, im Ofen überbackene Crespelle, Salsiccia und als zum Secondo dann noch Hirsch und Kaninchen serviert werden stehen wir kurz vor der Aufgabe. Auch wenn der kleine Käseladen und die voll ausgestattete Küche in der Latteria an Selbstversorgung denken läßt, sollte man sich dieses Erlebnis keinesfalls entgehen lassen!