Es war mal was anderes! Wo wir doch üblicherweise im Gehgelände der Südalpen unterwegs sind, sollte es dieses Mal, am Idro See, eine etwas andere Annäherung an den Berg werden! Vertikal und von oben!
Ganze 10 km ist er lang, der Idro See an der Grenze zwischen der Lombardei und dem Trentino. Eingebettet zwischen 2000 Meter hohen Gipfeln zieht er sich westlich, in 20 Kilometer Abstand, von Nord nach Süd parallel zum Gardasee. Und während letzterer
längst aller Orten bekannt ist, beschleicht einen bei der Ankunft am Idro See sofort das vielversprechende Gefühl, dass hier eine Naturschönheit im Dornröschenschlaf liegt. Dass Motorboote auf dem See verboten sind trägt sicher ein Übriges dazu bei, dass dieser Ort eine eindrucksvolle Ruhe ausstrahlt. Sanft geneigt ziehen sich die grünen Uferwiesen hoch in Richtung Straße, die noch nicht einmal um den gesamten See führt. Sie bieten einen optimalen Raum für einige sehr schön gelegene Campingplätze und natürlich für die Dörfchen, die sich rings um den See verteilen. In dieser Idylle beschlossen wir also in die Vertikale zu gehen!
Und auch das ist hier problemlos möglich. In Vesta, am Westufer, endet die Straße. Was folgt ist eine kurze Wanderung auf schmalen Uferpfaden gen Norden. Also Wanderstiefel anziehen und Kletterschuhe in den Rucksack, und
ab geht’s in Richtung einer als Via Ferrata ausgebauten Felswand mit grandiosem Blick über den See. Die Aussicht will erarbeitet sein. Auf Routen wie “Baby”
oder “Nani’s Wall” geht es nach oben. Für uns Wanderer zugegebenermaßen auf eher ungwohntem Wege gewinnen wir an Höhe. Der souverän zuversichtliche Blick von Guido “The Guide”, unserem Bergführer, vermittelt die nötige Sicherheit in der Vertikalen. Der geräumige Standplatz in Mitten der Wand ist eine Aussichtsloge erster Ordnung, auch wenn das Wetter den See in eher zarte grau und blau Töne packt, ist es doch ein grandioses Naturerlebnis in luftiger Höhe. Nur, wie kommt man als Wanderer da wieder runter? Na per Abseilaktion über die senkrechte Wand natürlich! Was soll ich sagen? Schon wieder eher unge
wohnt! Wir genießen die kleinen Adrenalinschübe und merken dabei kaum, dass wir dieses Paradies ganz für uns alleine haben. Im Norden sind Ferien und dennoch versammeln sich die Massen andernorts! Auch auf dem Rückweg um das südliche Ende des Idro Sees, den wir per Mountainbike bestreiten, ändert sich das nicht. Immer neue Landschaftseindrücke faszinieren auf dem Trail um den See. Wie eine Theaterkulisse schieben sich die vielfältig gestaffelten Bergketten von links und rechts ins Blickfeld. Wir fragen uns, ob es wohl noch spektakulärere Perspektiven gibt, aus denen man diesen schönen Flecken Erde erkunden kann. Und das geht hier tatsächlich auch!
Wenn auch aus einer für uns noch ungewohnteren Perspektive. Nämlich aus der Luft! Nein, nicht etwa aus dem Flugzeug, s
ondern viel näher am Element, vom Gleitschirm aus! Auch das geht für Newcomer nicht ohne fachkundige Anleitung. Der Gipfel des Monte Alpo, 1529 Meter hoch und damit 1200 Höhenmeter über dem Nordende des Sees gelegen, ist unser Ziel. Natürlich ist das auch ein herrliches Wanderziel. In Anbetracht der Gleitschirmausrüstung nehmen wir aber dann doch lieber die gebotene Infrastruktur über dem pittoresken Bergdörfchen Bondone in Anspruch und fahren steil hinauf, auf der Militärstraße aus dem 1. Weltkrieg und bis auf 150
0 Meter Höhe. Dann wieder Adrenalin! Auf einem Wiesenrücken breiten unsere Piloten die Schirme für den Tandemflug aus. Wir sind über der Inversionsschicht, die den See in milchiges Blau taucht. Darüber ist es glasklar. Dass es beim Flug durch die Luftschichtung zu Turbulenzen kommen kann erzählt mir der Pilot erst in der Luft…gut so! Andrea und seine beiden Co-Piloten geben das Kommando: “Ruuuuunnnn!!!!” Und schon
ist nur noch heiße Luft unter uns und ein phantastisches Panorama rings um uns herum. Wir überfliegen Bondone…eine Dächerlandschaft aus rotem Ziegel… kaum zu erkennen, dass es dort auch Gassen gibt. Der See breitet sich in seiner ganzen Länge unter uns aus und wird immer blauer, je näher wir ihm kommen. Wir fliegen vom Trentino in die Lombardei! Das Mündungsdelta der Flüsschen Chiese und Caffaro ist das Ziel, dem uns die Gravitation unau
fhaltsam näher bringt. Panoramaflug mit Achterbahneinlage als sich die Piloten den Spaß machen uns in einer Steilspirale dem Erdboden näher zu bringen. Die Platzrunde in niedriger Höhe über der riesigen Wiese direkt am Seeufer ist dagegen ein gemütlicher Ausklang. Die ist aber erforderlich um die Windrichtung am Landeplatz richtig einzuschätzen. Butterweich setzen wir auf, der Schirm fällt über uns zusammen und wir fragen uns “Wann haben Sie zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht?” Gerade eben! Die Erde hat uns wieder! Um solch intensive Erlebnisse zu verarbeiten bedarf es dann schon ein
es kulinarischen Beruhigungsprogramms. Und auch in dieser Beziehung werden wir schnell fündig. Immerhin reisen wir in der Lombardei und die Einheimischen schwören, dass es am Idro See sowieso die beste Küche weit und breit gäbe. Im “Ristorante da Genny” werden wir fündig und glauben dieser Aussage auch ohne Schwur. Nicht nur die hausgemachte Pasta “Al burro e salvia” ist dort sagenhaft! Mehr über die Gegend erfahren Sie auch hier.
Tags: Idro See
Es war bereits im letzten Jahrtausend als wir zum ersten Mal in San Martino Inferiore im Mairatal ankamen. Schon damals war der Ruf dessen was Maria Schneider und ihr Mann Andrea aus einem verfallenen Weiler wiedererschaffen hatten legendär! Entsprechend hoch lag die Meßlatte der Erwartungen. So waren es gemischte Gefühle mit denen wir uns in der Locanda del Silenzio aufmachten um auf dem Mairaweg ein zweites Mal den dank der Initiative der Schneiders wieder auferstandenen Weiler San Martino zu erwandern. Und wir sollten nicht enttäuscht werden!
Doch zunächst schlägt uns das satte Grün der Flanken des unteren Mairatals in seinen Bann. Gemächlich schlängelt sich der Saumpfad auf der Nordseite des Tals entlang. Die schönen Tiefblicke in den Talboden wechseln sich ab mit eindrücklichen Erlebnissen an Wegesrand. Ob das nun schöne Kirchen sind, die luftig über dem Boden des Mairatals schweben, oder Weiler wie Caudano mit seinem Pestkrankenhaus aus dem 15. Jahrhundert. Man taucht ein in eine grandiose Kulturlandschaft die heute groß teils verlassen ist und deren Relikte uns trotzdem, oder gerade deswegen,
so wildromantisch erscheinen. Trotz aller Eindrücke zieht sich der Pfad hin und wir sind froh im Sportladen zu Hause nochmal das Schuhwerk aufgebessert zu haben. Das Kirchlein von San Martino Superiore, das 150m über dem Centro Culturale Borgata thront, ist von weitem sichtbar. Und doch hält die Topographie der Talflanken immer wieder neue Falten für uns bereit, die der Weg Meter für Meter “auskostet”. Und trotzdem… es ist ein Genuss sich San Martino auf diese Weise und über Stunden zu nähern, auch wenn wir schon befürchtet hatten unterwegs ein Biwak einrichten zu müssen. Als es endlich soweit ist und wir zwischen den Bruchsteinhäusern des ehemals verfallen Weilers
einlaufen, entfaltet sich sofort wieder dieses Gefühl, das uns immer wieder an solchen Kraftorten beschleicht. Man spürt es sofort an einem besonderen Ort zu sein….auch nach der Jahrtausendwende! Das Haupthaus mit seinen vorgebauten offenen Terrassen über drei Stockwerke verströmt immer noch diese momentane Ruhe und Entspannung die man sich andernorts erst mal über Stunden und Tage nach der Ankunft “erarbeiten” muss. Es sind die vielen kleinen liebevoll arrangierten Details die diesen
Ort besonders machen. Hier bleibt nichts dem Zufall überlassen…piemontesisches Feng Shui at it’s best! Sich nach einem eindrucksvollen Wandertag auf der kleinen Seitenterrasse niederzulassen und im Schutz Jahrhunderte alter Bruchsteinmauern über die weiten grünen Talflanken zu blicken, hat etwas besonderes. Man ist sozusagen binnen Minuten “angekommen”. Auch wenn Andrea, den wir noch kennenlernen durften, leider bereits verstorben ist und wir nicht mehr in der Küche im Gewölbekeller von Maria
bewirtet werden, sondern im neu eingerichteten Speisesaal im Nebenhaus, so ist doch der Besuch auch diesmal wieder ein außergewöhnliches Erlebnis! Und wie hatte es hier früher ausgesehen! In besagter Gewölbeküche saßen wir damals mit Maria zusammen und sie zeigte uns nicht ohne berechtigten Stolz die alten schwarzweiss Fotos des Weilers San Martino Inferiore, den sie mit Andrea erwarb, nachdem sie die Sprachschule, die sie im Tal
eröffnet hatten, aufgegeben hatten. Ausgewachsene Bäume standen innerhalb (!) der Mauern deren Ausstrahlung wir heute so genießen. Eine einzige Ruine war der Ort an dem nun eines der schönsten Posti Tappa des Mairatalwegs steht. Dass Maria und Andrea Schneider für den Wandertourismus im Mairatal und damit für die lokale Bevölkerung viel getan haben merkt man spätestens wenn man an
deren Ortes im Tal ihre Namen erwähnt. Was einem begegnet ist dann höchster Respekt der Einheimischen, vor der Leistung der beiden! Und die setzt sich auch in Küche und Keller fort, bis hin zum liebevoll angerichteten Frühstück! Mehr über die Geschichte der Schneiders finden Sie in einem Interview der beiden, oder im legendären Genußwanderfüherer “Antipasti und alte Wege”.
Erkunden Sie weitere Touren rund um das Mairatal ….hier!
Tags: Valle Maira
Dass der Sentiero Orobie, der das Hinterland von Bergamo in weitem Bogen durchzieht, auf der Alpennordseite so gut wie unbekannt ist, heißt noch lange nicht, dass der Wanderer hier auf gepflegte Wege und typisch mediterrane Genüsse verzichten muss. Ganz im Gegenteil! Auf unserer zweiten Etappe durften wir feststellen, dass man hier auf besten Pfaden durch einen Blumengarten wandern kann, der seinesgleichen sucht. Auch lernten wir, dass auf den ersten Blick eher “spröde” anmutende Hütten in dieser Gegend schon mal mit einer sensationellen
“Weinkarte” der besonderen Art aufwarten. Doch bis dahin liegen noch zwei Pässe, ein wunderschöner Talschluss, ein Goldregenwald, ein blaugrüner Stausee und Millionen alpiner Blumen vor, über und unter uns. Wenn das kein vielversprechendes Tagesprogramm ist!
Die Capanna 2000, von der wir starten, liegt auf der Südseite des Pizzo Arera (2512m) und damit genau auf der entgegengesetzten Seite wie der Passo Corna Piana, dem ersten Zwischenziel. Wir wählen die Route die den Berg westlich umgeht und vermeiden
damit ausgesetzte Passagen auf der Ostroute, von denen uns der Hüttenwirt berichtete. Denn wir wollen den Kopf und den Blick frei haben für das was da am Wegrand wächst. Und das ist einzigartig (klicken Sie auf das Bild!). Der Sentiero dei Fiori, der Blumenweg, trägt seinen Namen völlig zu Recht. Selten haben wir eine so große Artenvielfalt auf so engem Raum gesehen. Und die Zahl der Blüten ist schier überwältigend! Über Schuttfelder und Schneereste auf der Nordseite schlängeln
wir uns um den Pizzo Arera. Der Blick vom Passo Corna Piana in den grünen Talschluss des Val della Corte mit dem gleichnamigen Rifugio ist vielversprechend. Nach dem “steinigen” Vormittag tut das satte Grün im Tal richtig gut. Die kulinarische Mittagsrast vor dem Aufstieg zum 700 Meter über uns gelegenen Passo di Laghi Gemelli fällt geschätzten 10 italienischen Schulklassen zum Opfer, die das Rifugio Alpe Corte und die umliegenden Wiesen mit Beschlag belegen. Hier scheint eine Art Trainingslager für
die Kleinen zu sein, in dem sie bereits in früher Jugend das typisch italienische Bergausflugskonzept trainieren: Fahren bis die Straße endet und dann mit Picknickkörben in die umliegenden Wiesen ausschwärmen. “Una festa sui prati” eben….
Mit schönen Rückblicken auf die steilen Nordflanken des Pizzo Arera machen wir uns an den langen Aufstieg zum Passo di Laghi Gemelli. Über mehrere grüne Hangstufen schraubt sich der schöne Weg
nach oben. Die Blütenpracht will ebenfalls nicht enden…. Im letzten Teil führt uns
der Pfad über flache Felsstufen über die man Stunden dahinwandern könnte, stetig nach oben…. Auf 2139m, auf dem breiten Sattel des Passo, ist für heute der höchste Punkt erreicht. Der schöne Blick auf den unter uns liegenden grün blau schimmernden (Stau-)See und das an der Staumauer liegende Rifugio Laghi Gemelli spornen den Wanderer zum Endspurt an. Immer am See entlang schlängelt sich der schmale Pfad dem Rifugio entgegen. Etwas spröde wirkt sie schon, die auf einem kleinen Hügel oberhalb der Staumauer gelegene ehemalige Unterkunft ihrer Erbauer. Aber wir sind in der Lombardei und können uns einfach nicht vorstellen, dass nicht spätestens dann, wenn die Antipasti auf den Tisch kommen, alles gut sein wird. Und wir sollten Recht behalten, auch wenn das nicht zwingend den Grundsätzen gesunder Sporternährung entsprach!
Das warme Licht das in der Dämmerung zwischen den roten Fensterläden nach draußen dringt lockt uns schließlich an einen der blanken Tische im schlichten Gastraum. Und noch bevor die Antipasti aufgetischt werden, wird das kulinarische Potential dieses Abends deutlich…. nämlich beim Blick in den verglasten Wandschrank, der als “Weinkarte” dient.
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Und da lacht uns doch beim “Kartenstudium” tatsächlich Papa Celso an! Ihn haben wir aus dem Val Vogna noch in bester Erinnerung! So ein Glücksfall! Was folgt, erfreut uns nicht minder. Dampfende Pasta, aufgetragen in riesigen Schüsseln, Secondo, Dolce…wunderbar! Und als wir die zweite Flasche Papa Celso bestellen zwinkert der Wirt nur verständnisvoll mit den Augen….